Die Frau, die sich im Video als Oligarchennichte ausgibt, ist weiterhin unbekannt.

Foto: Spiegel/SZ

Seit dem Auftauchen der Ibiza-Videos, die nicht nur die FPÖ-Spitze, sondern die gesamte Republik in eine innenpolitische Krise gestürzt haben, geistern wilde Gerüchte über die Herkunft der Filmaufnahmen herum.

Fest steht: Die Urheber gingen professionell vor. Fest steht auch: Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus machten es den unbekannten Drahtziehern nicht gerade schwer, entlarvendes Material zu ergattern – sie tappten geradezu im Stechschritt in die Falle.

Strache, der sich in seiner Abschiedsrede zum Opfer stilisierte, mutmaßte einerseits, es sei eine gezielte Aktion ausländischer Geheimdienste. Andererseits erwähnte er den Namen des israelischen Politikberaters Tal Silberstein. Silberstein wurde auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz erwähnt.

Silberstein und ÖVP

Sogenannte "Silberstein-Methoden" sind mittlerweile zu einer Art Codewort der österreichischen Politikrhetorik geworden: für Dirty Campaigning. Der Name des Managers wird der SPÖ zugeordnet, da die Sozialdemokraten im Wahlkampf 2017 vertragliche Beziehungen mit Silberstein hatten und er damals eine Facebook-Seite betrieb, die schmutzige Wahlkampflügen verbreitete. Der Verweis auf Silbersteins Namen transportiert aber auch alte, antisemitisch gefärbte Bezüge.

Andere Politikbeobachter vermuten die ÖVP hinter den Videos. Kurz soll, glaubt man dieser Hypothese, alles darangesetzt haben, den Koalitionspartner anzupatzen, ohne selbst beschädigt zu werden, um ihn auf diese Weise loszuwerden und künftig allein weiterregieren zu können. Angesichts der Krise, in der er nun steckt, scheint das allerdings nicht ganz stringent zu sein.

Zentrum für politische Schönheit

Wieder andere sehen aktivistische Kreise als Drahtzieher. Dieser Theorie speist sich aus mehreren Indizien: So hatte Satirekünstler Jan Böhmermann schon im April Zugriff auf einen Teil des Videos. Zudem tauchte am Samstag eine weitere – in den Exklusivberichten von "SZ" und "Spiegel" nicht erwähnte – Videosequenz auf Twitter auf. Und dieser Twitter-Account scheint aus dem Nahbereich des deutschen Aktivismuskollektivs Zentrum für Politische Schönheit zu stammen: Der Twitter-Auftritt des Kollektivs war der erste Follower des ominösen Video-Leak-Accounts. Gegenüber dem ORF-"Report" habe das Kollektiv jedoch dementiert, hinter den verdeckten Aufnahmen zu stecken, gab "Report"-Redakteurin Susanne Schnabl auf Twitter bekannt.

Jedenfalls waren Teile des Videos schon vor einigen Wochen und länger im Umlauf. Auch die Journalisten von "SZ" und "Spiegel" gaben an, einzelne Sequenzen schon zuvor gesehen zu haben – Zugriff auf die gesamte Aufnahme hätten sie jedoch erst vor kurzem erhalten.

Rolle von Nachrichtendiensten

Aber nicht nur Politik und Medien, auch die österreichischen Nachrichtendienste beschäftigen sich mit dem Ibiza-Video. Dort sorge man sich um die politische Stabilität: "Angenehm ist das nicht, wenn man weiß, dass jederzeit mit einem weiteren Video die politische Landschaft verändert werden könnte", heißt es aus dem Umfeld der Nachrichtendienste. Gesicherte Hinweise auf den Ursprung des Videos gibt es auch dort nicht.

Aber wer ist überhaupt in der Lage, einen Lockvogel zu engagieren und ihn wochenlang auf Gudenus anzusetzen, um Vertrauen aufzubauen; wer hat das Know-how und das technische Equipment? Selbst nach dem Abend in der Villa soll die vermeintliche Russin Gudenus getroffen haben, auch davon gibt es laut "Süddeutscher Zeitung" Tonaufnahmen.

Im nachrichtendienstlichen Umfeld verweist man auf das Risiko, das linke Aktivisten mit einer derartigen "Operation" eingehen würden – sind doch Zahlungsdaten für die Anmietung der Finca, des Leihautos und der Flüge vorhanden, die sich herausfinden lassen.

Straches Airbnb-Villa

Geheimdienste hätten dieses Problem nicht. Sie können sogenannte Legenden konstruieren, also falsche Identitäten. Auch wenn das Video in der Aktivistenszene gestreut würde, heißt das nicht, dass ein nachrichtendienstlicher Hintergrund ausgeschlossen ist. So benutzten Geheimdienste immer wieder Vertrauenspersonen, um Inhalte zu verbreiten und ihre Beteiligung zu verschleiern.

Die betroffene Villa auf Ibiza wurde inzwischen übrigens identifiziert: Sie lässt sich auf Airbnb für 750 Euro pro Nacht mieten. (Katharina Mittelstaedt, Maria Sterkl, Fabian Schmid, 19.5.2019)