Mailand/Zagreb – Es war wie ein Fernduell: Während Europas Rechtspopulisten am Wochenende in Mailand eine "neue Ära" beschworen, kündigte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel knapp vor der Europawahl entschiedene Gegenwehr an. "Der Nationalismus ist der Feind des europäischen Projekts", sagte Merkel in Zagreb. Für Sonntag organisierten EU-Freunde in europäische Städten Demonstrationen gegen Rechts.

Bei der am Donnerstag beginnenden Europawahl erwarten Rechtspopulisten und Nationalisten Zugewinne. Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini bereitet die Gründung einer rechten "Superfraktion" im neuen Europaparlament vor. Er feierte den Schulterschluss mit Partnern wie der Alternative für Deutschland, der französischen Nationalistin Marine Le Pen und dem niederländischen Islamgegner Geert Wilders am Samstag bei einer Großkundgebung in Mailand.

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Von links: Geert Wilders (Niederlande, Freiheitspartei PVV), Matteo Salvini (Italien, Lega), Jörg Meuthen (Deutschland, AfD), Marine Le Pen (Frankreich, Rassemblement National), Weselin Mareschki (Bulgarien, Wolja), Jaak Madison (Estland, Riigikogu), Tomio Okamura (Tschechien).
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Die österreichische FPÖ ist ebenfalls mit an Bord, ist jedoch wegen das Skandals um ihren langjährigen Parteichef Heinz-Christian Strache in eine schwere Krise gestürzt. Strache musste wegen eines belastenden Videos von allen Ämtern zurücktreten und seine Koalition mit dem konservativen Kanzler Sebastian Kurz zerbrach – ein schwerer Rückschlag auch für die europäische Rechtsallianz.

Wegen der Kalamitäten in Wien fehlte der FPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Harald Vilimsky, bei dem Rechtspopulistentreffen in Mailand. Vilimsky ließ sich wegen des Skandals rund um FPÖ-Chef Strache in Mailand von dem FPÖ-Abgeordneten Georg Mayer vertreten. Dieser ging nicht auf die Regierungskrise ein, sondern forderte dazu auf, "die Einwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten zu stoppen".

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Georg Mayer, anwesender Vertreter der FPÖ, während seiner Rede in Mailand.
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AfD-Chef Jörg Meuthen sagte ebendort, die FPÖ bleibe trotzdem enger Partner. Wie Meuthen sprachen auch Le Pen und Salvini von einer anstehenden Zeitenwende. Es sei der "historische Moment", den Kontinent von der "Besatzung" durch Brüssel zu befreien, rief Salvini Tausenden begeisterten Anhängern auf dem Domplatz zu. Redner kritisierten Brüsseler Bürokraten, Eliten, Migration und Islam.

Salvini stritt ab, radikal oder rassistisch zu sein, sprach von "Liebe" und "Lächeln" und präsentierte sich nach dem Motto "David gegen Goliath" als Anwalt der kleinen Leute. Bei seinen Anhängern weckt der 46-Jährige Begeisterung. In der Fahnen schwenkenden Masse in Mailand sagte die 68-jährige Francesca Fiorentina: "Matteo sagt genau das, was ich denke." Und fast dieselben Worte äußerte eine 54-jährige Frau, die nur ihren Vornamen Anna nennen wollte: "Matteo denkt genauso wie ich. Das, was ich im Kopf habe, spricht er aus."

Im Detail uneins

Erklärtes Ziel der rechten Europäischen Allianz der Völker und Nationen ist es, eine engere Zusammenarbeit auf EU-Ebene zu stoppen, Nationalstaaten zu stärken und eine "Festung Europa" zu schaffen. Im Detail ist das Zweckbündnis aber uneins. Ihm wurden in Umfragen zuletzt 72 von 751 Mandaten zugetraut.

Angela Merkel sieht Patriotismus und ein gemeinsames Europa nicht als unvereinbar an.
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Weitere Parteien könnten sich anschließen. Doch rund drei Viertel der Abgeordneten werden Projektionen zufolge auch künftig EU-freundlich ausgerichtet sein. Und sie wollen mit den Nationalisten nicht zusammenarbeiten.

EVP grenzt sich ab

Auch die Europäische Volkspartei, zu der CDU und CSU gehören, pocht auf Abgrenzung. "Ich werde gegen die Nationalisten und Populisten kämpfen", sagte der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber bei einem Wahlkampfauftritt mit der deutschen Kanzlerin Merkel in Zagreb. Er warnte vor Salvini, Le Pen und Co. "Sie wollen zerstören, was wir in Europa aufgebaut haben." Zur EVP gehört allerdings auch die österreichische Kanzlerpartei ÖVP, die die FPÖ in die Regierung geholt hatte.

Merkel betonte, Patriotismus sei mit dem Bau eines gemeinsamen Europas nicht unvereinbar. "Manfred Weber kann deshalb ein starker Europäer sein, weil er seine Heimat liebt und zugleich versteht, dass jeder Andere in der EU seine Heimat liebt", sagte sie.

Für Sonntag organisierten Organisationen wie Campact und die Naturfreunde unter dem Motto "Ein Europa für alle – Deine Stimme gegen Nationalismus" Großdemonstrationen – nach eigenen Angaben in rund 50 europäischen Städten.

Auch in Österreich finden am Sonntag Demonstrationen unter dem Motto "Ein Europa für alle" statt, unter anderem in Wien. Laut Polizei werden bis zu 10.000 Teilnehmer in der Bundeshauptstadt erwartet. (APA, 19.5.2019)