Wien – Auf dem Radar hatte diese Nationalratswahl wohl kaum ein Parteistratege. Nun müssen aber alle Parteien binnen kürzester Zeit Wahlkampagnen aus dem Boden stampfen, Budgets aufstellen und – nicht zuletzt – Spitzenkandidaten festlegen. Wie es um die finanziellen Möglichkeiten bestellt ist, ist derzeit bei einigen Listen noch schwer einschätzbar, sagt der auf Parteifinanzen spezialisierte Politologe Hubert Sickinger. Die vom Rechnungshof geprüften Rechenschaftsberichte für das Jahr 2017 wurden noch nicht veröffentlicht, geschweige denn jene für das Jahr 2018.

DER STANDARD gibt einen kurzen Überblick, wie die Parteien aufgestellt sind:

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ÖVP

Dass er wahlkämpfen kann, hat Sebastian Kurz bereits 2017 bewiesen.
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Am türkisen Spitzenkandidaten gibt es natürlich keine Zweifel: Kanzler Sebastian Kurz. Die finanziellen Spielräume seien bei der ÖVP derzeit am schwersten zu bewerten, sagt Sickinger. Klar sei allerdings: Das Spendenpotenzial ist bei den Türkisen am größten, wie schon der Wahlkampf 2017 bewiesen hat. Damals hat die ÖVP die Wahlkampfkostenobergrenze aber auch mit Abstand am weitesten überschritten – 13 statt der erlaubten sieben Millionen wurden ausgegeben, weshalb eine saftige Strafe droht. Diese Gesetzesverstöße werden sicher auch in diesem Wahlkampf Thema sein.

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FPÖ

Norbert Hofer soll neuer FPÖ-Obmann werden. Da läge auch die Spitzenkandidatur nahe.
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Bei den Freiheitlichen deutet derzeit alles auf Norbert Hofer als Spitzenkandidat hin, der am Sonntagabend im Präsidium einstimmig als neuer FP-Chef designiert wurde. Ähnlich wie die ÖVP haben auch die Blauen bei der Wahl 2017 deutlich gegen die Wahlkampfkostenobergrenze verstoßen (10,7 statt sieben Millionen). Besonders im Fokus ist die FPÖ jetzt aber wegen Aussagen von Strache in dem Ibiza-Video, wonach die Partei Großspender habe, die an einen "gemeinnützigen Verein" zahlen, damit der Rechnungshof nicht kontrollieren könne. Von Strache genannte Spender haben zwar umgehend dementiert, in Sachen Verein hat die FPÖ aber bis jetzt keine Aufklärungsarbeit geleistet.

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SPÖ

Pamela Rendi-Wagner wird ihre erste Wahl als Spitzenkandidatin bestreiten.
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Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ließ gleich am Samstag keine Zweifel: Sie werde Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten. Finanziell kommt der Wahlkampf der SPÖ nicht gerade gelegen. Die Partei war über Jahre hochverschuldet, konnte die Verbindlichkeiten mit dem Verkauf des Gartenhotels Altmannsdorf aber zuletzt deutlich reduzieren, dem Vernehmen nach auf unter zehn Millionen Euro. Für den EU-Wahlkampf hat man 3,5 Millionen budgetiert. Eine dramatische Lücke dürfte dieser nicht reißen. Zur Orientierung: Ein Ergebnis von 25 Prozent bedeutet eine Wahlkampfkostenrückerstattung von etwa 3,2 Millionen Euro.

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Neos

Beate Meinl-Reisinger darf nach der Babypause gleich in den Wahlkampf einsteigen.
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Die pinke Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ist zwar erst vergangene Woche aus ihrer kurzen Babypause zurückgekehrt, dennoch bestehen keine Zweifel, dass sie Spitzenkandidatin wird. Um die Parteifinanzen der Neos ist es, im Vergleich zu früheren Wahlen, relativ gut bestellt. Der Schuldenstand ist zuletzt auf unter 500.000 Euro gesunken. Für den EU-Wahlkampf wurden 1,9 Millionen Euro budgetiert. Kommt die Partei auf die prognostizierten acht bis zehn Prozent, erhält sie eine gute Million über die Wahlkampfkostenrückerstattung retour. Generalsekretär Nikola Donig geht davon aus, dass man für die Nationalratswahl im Herbst etwa 2,5 Millionen Euro wird ausgeben können.

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Grüne

Muss Werner Kogler nach dem EU-Wahlkampf gleich in den nächsten Wahlkampf? Noch ist das offen.
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Für die Grünen ist der Wahlkampf eine besondere Herausforderung. Parteichef Werner Kogler bemüht sich gerade um ein Mandat im EU-Parlament. Kann er danach gleich als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl gehen? Die Grünen wollen sich da noch nicht festlegen. Das werde man nach der EU-Wahl beraten. Zuletzt wurden aber auch andere Kandidaten aufgebaut, etwa Oberösterreichs Landeschef Stefan Kaineder. Geld gibt es jedenfalls nicht viel. Nach der katastrophalen Nationalratswahl 2017 wurde eine Vereinbarung mit der Erste Bank bis 2022 geschlossen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Aktuell liegt der Schuldenstand noch bei 950.000 Euro. Die EU-Wahl wurde mit bescheidenen 500.000 Euro Budget bestritten.

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Liste Jetzt

Ob die Liste Jetzt wieder allein antritt, muss noch diskutiert werden. Für Parteichefin Maria Stern ist ein gemeinsames Antreten mit den Grünen jedenfalls kein Thema.
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Für die von Peter Pilz gegründete Partei kommt die Wahl ebenfalls zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Laut den jüngsten Umfragen dürfte ein Einzug ins EU-Parlament nur schwer gelingen. Die Frage ist nun: Soll man bei der Nationalratswahl wieder allein antreten oder eine Wiedervereinigung mit den Grünen anstreben? Laut Klubobmann Bruno Rossmann ist das zwar eine Option, über die man aber erst reden müsse. Für Parteichefin Maria Stern ist das gar kein Thema. Schulden hat die Partei jedenfalls nicht, wie sie sagt. Und man habe schon in der Vergangenheit bewiesen, dass man mit wenig Geld einen erfolgreichen Wahlkampf führen könne. Für die EU-Wahl wurden Johannes Voggenhuber 240.000 Euro zur Verfügung gestellt. (Günther Oswald, 19.5.2019)