Scheitert Kurz mit seinem Vabanquespiel, bleibt ihm wieder nur ein Bündnis mit der FPÖ, die sich nicht wandeln wird, oder eine VP-SP-Koalition voller Bitterkeit und Streit.

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Ein Aufatmen ging durch das Land: Bis auf die FPÖ haben alle Parteien und Medien die Entscheidung für Neuwahlen begrüßt. Doch dass nur zwei Jahre nach der letzten Nationalratswahl wieder gewählt werden muss, ist eigentlich ein Krisenzeichen für Österreichs Politik.

In stabilen Demokratien werden Legislaturperioden üblicherweise zu Ende geführt. In Deutschland gab es seit 1970 nur drei vorgezogene Bundestagswahlen; in Österreich steht seither bereits die siebente Neuwahl an. Das sind noch nicht, aber beinahe italienische Verhältnisse.

Ein Dauerwahlkampf ist nicht nur teuer, sondern erschwert auch das Regieren. Die langen Fristenläufe machen Neuwahlen zu einem untauglichen Mittel der Krisenbewältigung. Wenn die Koalition nicht mehr arbeiten kann, dann müsste noch vor dem Sommer gewählt werden. Doch der Wahltermin ist erst im September; eine neue Regierung kann frühestens im Oktober angelobt werden. So lange steht die Politik mehr oder weniger still. Und es ist gut möglich, dass die FPÖ-Minister, die für Kanzler Sebastian Kurz angeblich nicht mehr tragbar sind, bis dahin im Amt bleiben.

Dazu kommt: Neuwahlen sollen Mehrheitsverhältnisse verändern und neue Koalitionsmöglichkeiten eröffnen. Doch das gelingt nicht immer. 1996 und 2008 musste die ÖVP nach den von ihr ausgelösten Neuwahlen als Juniorpartner in einer großen Koalition weitermachen.

Diesmal gibt es nur einen einzigen Wahlausgang, der das Risiko Neuwahl für Kurz rechtfertigen würde: wenn er danach in einer Koalition mit den Neos regieren kann. Denn wie er selbst am Samstag erklärt hat, ist die FPÖ nicht regierungsfähig und die SPÖ inhaltlich nicht kompatibel. Die Neos-Option aber geht sich nur aus, wenn die FPÖ wie schon 2002 massiv Stimmen an die ÖVP verliert.

Kurz wird daher im Wahlkampf vor allem um rechtspopulistische Wähler werben müssen; er wird dabei auch in Kauf nehmen, dass liberale Stammwähler zu den Neos abwandern. Das ist ein unerfreuliches Szenario, das sich möglicherweise dann doch nicht ausgeht. Die Alternative – eine Mehrheit von SPÖ, Neos und Grünen – ist jedoch noch weniger wahrscheinlich.

Scheitert Kurz mit seinem Vabanquespiel, dann bleibt ihm wieder nur ein Bündnis mit der FPÖ, die sich nicht wandeln wird, oder eine VP-SP-Koalition voller Bitterkeit und Streit. Dann hätte die Neuwahl gar nichts gebracht. (Eric Frey, 20.5.2019)