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Cristina Fernández de Kirchner möchte mit ihrem ehemaligen Kabinettschef Alberto Fernández wieder an die Macht.

Foto: Reuters/Marcos Brindicci

Vor einem Jahr hätte kaum jemand auf sie gewettet. Argentiniens Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner stand mit einem Fuß im Gefängnis, ihre peronistische Partei war zerstritten, und der liberale Staatschef Mauricio Macri steuerte auf eine sichere Wiederwahl zu.

Nun hat sich das Blatt gewendet: Am Wochenende meldete sich Kirchner per Videobotschaft zurück und verkündete, dass sie im Oktober bei der Präsidentenwahl antreten werde. Allerdings nicht als Spitzenkandidatin, sondern als Vize – zusammen mit ihrem Ex-Kabinettschef Alberto Fernández. "Wir wollen nicht nur eine Wahl gewinnen, sondern möglichst viele Sektoren auf unsere Seite ziehen, um damit Regierungsfähigkeit zu garantieren", erklärte die 66-Jährige.

Umfragen sehen Kirchner gleichauf mit Macri, dessen magere wirtschaftliche Bilanz an seiner Popularität nagt. Es scheint nicht unmöglich, dass Argentinien wieder nach links rückt – und es wäre nichts Neues. Das südamerikanische Land stürzt seit Jahren von einer Wirtschaftskrise in die nächste und sucht sein Heil abwechselnd in Liberalismus und linkem Populismus.

Verheerende Finanzkrise 2002

Die neoliberale Dekade der 1990er-Jahre unter dem rechten Peronisten Carlos Menem endete 2002 mit Finanzkrise und Zahlungsunfähigkeit. Dann schlugen die Kirchners – erst Cristinas inzwischen verstorbener Mann Nestor, dann sie selbst – einen staatsdirigistischen Kurs ein, verhandelten hart mit den Gläubigern, verstaatlichten Betriebe, verhängten Devisenkontrollen. Mit Erfolg: Um fünf Prozent wuchs die Wirtschaft im Schnitt, die Zahl der Armen sank zwischen 2003 und 2013 von 9,9 auf 3,7 Millionen, die Mittelschicht verdoppelte sich.

Unter Cristina Kirchner jedoch begannen die Rohstoffpreise zu sinken, die Inflation stieg auf 25 Prozent, die Staatskassen leerten sich. Die Opposition kritisierte, das Modell sei nicht nachhaltig und durch eine aufgeblähte Bürokratie und hohe Subventionen erreicht worden, die zusammen mit dem künstlich hochgehaltenen Wechselkurs ein Loch in die Staatskassen rissen.

Macris knapper Sieg

Das führte 2015 zum knappen Sieg Macris. Er versuchte das Land wieder auf liberalen Kurs zu bringen und kürzte die staatlichen Subventionen für Strom, Gas und Verkehr, was zu Preisanstiegen um bis zu 500 Prozent führte – bei sinkenden Reallöhnen. Zudem schaffte er die Wechselkurskontrollen ab, was den Peso erst steigen ließ, sodass das Preisniveau deutlich über dem der Nachbarländer lag. Um die von Kirchner einst eingestellten Zahlungen an die Geierfonds – die Spekulanten der Finanzkrise – auszubezahlen und in Infrastruktur zu investieren, verschuldete sich Macri auf den internationalen Finanzmärkten. Trotz liberaler Bilderbuchpolitik und Halbierung des Budgetdefizits trat das erwartete Wirtschaftswachstum nicht ein.

Kapital floss zwar kurzfristig nach Argentinien, zog aber 2018 abrupt wieder ab, was zum Absturz des Peso führte, die Inflationsspirale wieder in Gang setzte und Macri zu einem Sonderkredit beim Internationalen Währungsfonds zwang. Arbeitslosigkeit und Armut stiegen. Erst kürzlich steuerte Macri gegen, führte Preiskontrollen ein und erhöhte Mindestlöhne und Kindergeld. Bei den Kommunalwahlen Anfang Mai verlor seine Cambiemos dennoch in sechs Provinzen.

Zehn Korruptionsverfahren

Doch für Kirchner ist der Weg noch nicht geebnet. Will sie innerhalb des Peronismus antreten, muss sie sich einer internen Vorwahl stellen. Kirchner hat zehn Korruptionsverfahren und fünf Haftbefehle am Hals. Als Senatorin genießt sie Immunität. Am Dienstag soll die mündliche Verhandlung im ersten Prozess stattfinden. Der Oberste Gerichtshof, der letztinstanzlich entscheiden muss, gilt als ihr wohlgesonnen.

Im Ernstfall hofft Macris Politguru Jaime Durán auf die Abneigung der Argentinier gegen Kirchner: "Zwischen Pest und Cholera gewinnen wir. Wir sind die weniger Schlimmen." Gut ein Viertel der Argentinier würde laut Umfragen aber lieber einen alternativen, dritten Kandidaten sehen. (Sandra Weiss, 20.5.2019)