Sind Notärzte oder geschulte Sanitäter an Bord, dann fallen Rettungsdienste nicht unter das Bundesvergabegesetz. Das schützt gemeinnützige Organisationen vor privater Konkurrenz.

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Schon seit Jahren drängen private Unternehmen wie etwa der dänische Falck-Konzern in den Markt für Rettungsdienstleistungen und setzen damit etablierte Rettungsdienstleister wie Rotes Kreuz, Maltereser oder Arbeiter Samariterbund, unter Druck. Die etablierten Rettungsdienstleister sehen sich einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt, der ihrem gemeinnützigen Auftrag entgegensteht.

In diesem Spannungsfeld wird auch mit juristischen Mitteln gekämpft. Das Rettungswesen war in den letzten Jahren deshalb mehrfach Gegenstand von EuGH-Entscheidungen (z. B. EuGH vom 29. 4. 2010, C-160/08, Kommission/Deutschland, EuGH vom 11. 12. 2014, C-113/13, Spezzino, EuGH vom 28. 1. 2016, C-50/14, CASTA).

Mit der letzten Novelle zum Bundesvergabegesetz (BVergG), die am 21. 8. 2018 in Kraft trat und mit etwas Verspätung die EU-Vergaberichtlinie umsetzte, nahm der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen Rettungsdienstleistungen von der Ausschreibungspflicht aus. So sind nach § 9 BVergG Dienstleistungsaufträge im Bereich des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden, explizit von der Vergabepflicht ausgenommen.

Ausschreibungspflichtig – und damit ausgenommen von der Ausnahme – ist nur der "Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung".

Reichweite der Ausnahmebestimmung

Die Reichweite der Ausnahmebestimmung war bisher allerdings nicht völlig klar. Vor kurzem hat der EuGH Klarheit geschaffen (21. 3. 2019, Rs C-465/17, Falck/Stadt Solingen). Unter die Ausnahme fallen die Notfallrettung wie auch der qualifizierte Krankentransport, da der EuGH diese beiden Dienstleistungen unter den Begriff der "Gefahrenabwehr" einstuft, auch wenn es nur eine einzelne Person betrifft und keine kollektive Dimension wie etwa bei einer Naturkatastrophe aufweist.

Der qualifizierte Krankentransport ist aber nur dann vom BVergG ausgenommen, wenn der Transport von geschultem Personal, wie Notarzt oder ausgebildeter Rettungssanitäter, durchgeführt wird und er außerdem einen Patienten betrifft, bei dem das Risiko einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands während des Transports besteht. Voraussetzung für eine freie Vergabe außerhalb des BVergG ist zudem, dass der Auftrag an eine gemeinnützige Organisation vergeben wird.

Was auszuschreiben ist

Was vom Vergaberecht voll umfasst bleibt, ist der reine Transport eines Patienten in einem Krankenwagen, etwa der Transport von Dialysepatienten zur Untersuchung. Diese Aufträge sind von der öffentlichen Hand jedenfalls auszuschreiben, allerdings gelten dafür nach § 151 ff. BVergG 2018 vereinfachte Beschaffungsregelungen.

Für die Kommunen und die Länder bedeutet das Urteil jedenfalls eine zusätzliche Komplexität, und die Frage stellt sich, wie man qualifizierte von einfachen Rettungstransporten trennt. Gemeinden und Länder haben künftig überdies die Wahl: Sie können Aufträge für Rettungsdienstleistungen entweder ohne Ausschreibung frei an eine gemeinnützige Organisation vergeben oder auch privatwirtschaftliche Anbieter einbeziehen, dann aber nur im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens.

Vorrang für Gemeinnützige

Der EuGH hat mit dem Urteil die Bedeutung der gemeinnützigen Organisationen für das Rettungswesen anerkannt und qualifizierte Rettungsdienstleistungen nicht für den völlig freien Wettbewerb geöffnet. Ob das für die öffentliche Hand ein Vorteil ist, sei dahingestellt.

Ein Argument der gemeinnützigen Organisationen war immer, dass man nicht gewinnorientiert sei und in erster Linie auf Zivildiener und Freiwillige zurückgreifen könne, was ihnen prima facie jedenfalls einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Dass die Kosten für die Kommunen deswegen tatsächlich niedriger sind, wenn sie mit gemeinnützigen Organisationen arbeiten, ist aber keine zwingende Folge.

Es wird sich zeigen, wie sich das Urteil auswirkt. Der Wind für private Anbieter wird jedenfalls rauer. (Christian Nordberg, 20.5.2019)