Viele Jahre lang trennte der Eiserne Vorhang entlang der Flüsse March und Thaya das Weinviertel und Mähren. Im Frühmittelalter gab es dagegen über Jahrhunderte einen florierenden engen Austausch zwischen den Regionen, die von der peripheren Lage zu regionalen Machtzentren profitierten. Das zeigen Archäologen, die in ihrem Projekt vorhandene Funde aus dem 7. bis 12. Jahrhundert ausgewertet haben.

Stefan Eichert vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien hat gemeinsam mit Kollegen von der Masaryk-Universität im tschechischen Brünn das vom österreichischen und tschechischen Wissenschaftsfonds geförderte Projekt geleitet. Die Wissenschafter führten dabei keine neuen Grabungen durch, sondern analysierten bereits vorhandene Funde aus Siedlungen und Gräberfeldern. Aus dem Frühmittelalter stammende Knochen, Keramik, Metall und andere Artefakte wurden dabei mit den jeweils als typisch geltenden regionalen Kulturen abgeglichen.

Wechselhafte Geschichte

Die Fundanalyse zeigte für die untersuchte Zeit das Bild einer "florierenden Kontaktzone in der Region des heutigen Weinviertels und Mährens, in der sich materielle Kulturen feinkörniger mischten, als es die schriftlichen Quellen vermuten lassen", so die Wissenschafter. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs dominierten dort kurz germanische Stämme. Ab dem 7. Jahrhundert übten sowohl die Karolinger als auch slawische und awarische Stämme ihren Einfluss aus. Im 9. Jahrhundert standen einander Großmähren und das Karolingerreich gegenüber.

"Das Gebiet profitierte von der peripheren Lage abseits der Machtzentren. Die materiellen Funde vermitteln den Eindruck eines gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungslabors, in dem wechselweise Innovationen ausgetauscht wurden – erkennbar beispielsweise an sich ändernden Bestattungssitten, am Wechsel der Wirtschaftsweise von Güter- zu Münzhandel oder am mährisch beeinflussten Keramikspektrum", sagte Eichert. Erst ab dem 11. Jahrhundert hätten sich dominante, nationale Kulturen und eindeutig abgegrenzte Gebiete herauskristallisiert, wie die Babenberger Mark und das premyslidische Herrschaftsgebiet.

Die Funde würden den Übergang von "nicht territorial geschlossener Herrschaft" hin zu "Machtansprüchen und Abgrenzung nationaler Gesellschaften" widerspiegeln. Die Gemeinschaften seien erst nach und nach Teil von Staatsbildungen geworden, die bis heute nachwirken. (APA, red, 20.5.2019)