Zu Besuch bei der Wiener Bezirksimkerei: Hier hat keiner Angst vor Bienenstichen.

Foto: Anna Zora

Es summt nicht. Wenn man den Dachgarten des Büros von Matthias Kopetzky in Wien-Meidling betritt, ist zunächst alles ruhig. Hier wird im milden Mai-Sonnenschein Salat angebaut, einen herrlichen Ausblick über Wien hat man ebenso. Erst mit vollster Konzentration wird ein schwaches Surren hörbar, die emsig umschwärmten Holzkästen zur linken Seite der Dachterrasse bestätigen: Hier wohnen tatsächlich Bienen.

Gar nicht wenige sogar. Fünf Bienenstöcke mit jeweils rund 50.000 Bienen gibt es allein auf dem Dach in Meidling, ähnlich viele an den anderen 22 Standorten in Wien. Hier wird seit einigen Jahren Wiener Bezirkshonig hergestellt: In jedem Gemeindebezirk stehen mehrere Stöcke mit Bienen, die die blühenden Pflanzen in ihrem Umkreis anfliegen.

Wieso Bienen Honig produzieren

So entsteht Lagenhonig, der im Gegensatz zum Sortenhonig nicht nur aus den Pollen einer bestimmten Blüte gewonnen wird, sondern unterschiedlichste Geschmäcker vereint. Um feststellen zu können, woher die Pollen für den Honig genau stammen, wird im Labor aus einer Probe des Honigs ein sogenanntes Pollenbild erstellt. Je nach Eiweißgehalt lässt sich dann bestimmen, welche Blüten die Bienen tatsächlich angeflogen haben.

Wenn wir "Biene" sagen, meinen wir übrigens die westliche Honigbiene. Sie ist die einzige Honigbienenart, die in Europa heimisch ist. Der Honig, den wir essen, ist die Art dieser Bienen, Vorräte für den Winter anzulegen.

Bienen ernähren sich überwiegend von Pollen, Nektar und Wasser. Während andere Bienenarten ihre Nahrung sammeln und direkt verwerten, sammeln Honigbienen mehr Nahrung, als sie brauchen, und produzieren in Waben Rücklagen, von denen sie auch über den Winter zehren können: den Honig.

Die Bienen bei der Arbeit.
Foto: Wiener Bezirksimkerei

"Katastrophenjahr" für die Wiener Bienen

Das Bienenjahr beginnt, wenn es draußen um die zehn Grad Celsius hat und die ersten Pflanzen zu blühen beginnen. 2019 brachte den Wiener Imkern einen schwierigen Start. Ein "Katastrophenjahr" nennt es Kopetzky. Der Frühling ohne Regen habe Trockenstress für Pflanzen bedeutet. Die produzieren, um unnötigem Flüssigkeitsverlust vorzubeugen, weniger Nektar, den die Biene sich holen könnte. Diesen Mai mussten die Wiener Bienen zugefüttert werden, um zu überleben. Das sei sehr selten, etwa "wie wenn es im Juli Schnee gibt in Wien".

Dabei waren die kleinen Insekten keineswegs untätig: Bienen essen ja auch ihren eigenen Honig. Ein Kilogramm Honig ist, berechnet am Eigenbedarf des ganzen Bienenvolkes, nicht besonders viel. Imker, die Bienen möglichst artgerecht versorgen wollen, achten darauf, ihnen nicht ihren gesamten Honig zu nehmen.

Kopetzky und seine Kollegen füttern zudem eine Bio-Kohlenhydrat-Lösung zu und nicht etwa nur das oft als nährstoffarm bemängelte billige Zuckerwasser. Im Bienenstock hat es sommers wie winters 35 Grad, um Brut und Königin zu schützen. Das kostet die Bienen Bewegungsenergie, sie brauchen also Kohlenhydrate. Das "Abschleudern", die Honigernte, findet dann im Sommer statt.

Weniger ist mehr

Bei den Interaktionen mit dem Bienenvolk gilt: "Jede Intervention ist eine zu viel." Es wird darauf geachtet, die Bienen ihre Arbeit – Honig machen und sich fortpflanzen – möglichst ungestört verrichten zu lassen. Dabei bräuchten sie ja auch eigentlich keine Hilfe, sonst hätte die natürliche Selektion sie schon lange wegrationalisiert.

Auch könne man Bienen direkt "totschauen", sagt Kopetzky. Die Forschung zeige, dass Bienen nach einem Eingriff in ihren Stock mindestens einen Tag brauchen, um sich davon wieder zu erholen und intern wieder Ordnung geschafft zu haben. Warum aber gibt und braucht es dann überhaupt Imker?

Wilde Honigbienen würden laut Kopetzky keine zwei Winter überleben. Pestizide, die in der kommerziellen Landwirtschaft verwendet werden, bedeuten oft den sofortigen Tod für ganze Bienenvölker. Imker und Bauern arbeiten hier zusammen: Werden vom Bauern Pestizide gespritzt, lässt der Imker die Bienen ein oder zwei Tage lang nicht ausfliegen. "Das macht ihnen nichts", so Kopetzky. Vor allem schützt es sie vor dem sicheren Tod.

Milbenbefall bedeutet Bienentod

Gegen das zweite große Problem, den Befall mit Varroa-Milben, können die Imker allerdings selbst wenig tun. Die stecknadelkopfgroßen Parasiten kamen ursprünglich aus Asien. Die Milben befallen vorwiegend die Bienenlarve und saugen schon vor dem Schlüpfen Löcher in den Chitinpanzer der Bienen. Dadurch können von ihnen übertragene Viren sich rasant vermehren.

Hier kommt erneut die Klimaerwärmung ins Spiel: Warme Winter führen dazu, dass die Bienen das ganze Jahr über brüten. So überleben dann auch die Milben den Winter. Asiatische Bienen kommen besser mit dem Parasiten zurecht. Es wird bereits versucht, auch unsere heimischen Bienen resistenter gegen die Milben zu machen, doch das gestaltet sich schwierig.

Honigbienen beim Befüllen der Waben: Die Königin wird von den Imkern oft durch einen Farbpunkt markiert.
Foto: Anna Zora

"Die Milbe haben sie alle", sagt Kopetzky. Imker können regelmäßig mit verdampfenden, natürlichen Säuren arbeiten, die die Atemwege der Milben verätzen und sie so in großer Zahl vernichten. Für die Biene ist die Behandlung nicht angenehm, aber – anders als der Milbenbefall – in weiterer Folge nicht tödlich.

"Am Vormittag sind nur die Stockbienen zu Hause, die grantigen sind ausgeflogen", sagt Kopetzky. Er zeigt direkt am Stock, dass die Bienen in Meidling langsam beginnen, Waben zu bauen – der erste Schritt zur Honigeinlagerung. Die Bienen werden über den Sommer Rosskastanie und Ahorn, aber auch Stiefmütterchen und Löwenzahn anfliegen. Ruhig steht Kopetzky inmitten seiner Bienen. Ob er oft gestochen werde? "Nein. Und ich nehme jeden Stich als Geschenk." (Stefanie Schermann, 20.5.2019)