Bestehende Huawei-Smartphones sollen weiter Updates erhalten, verspricht das Unternehmen. Der Teufel könnte aber im Detail stecken.

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Der Streit zwischen den USA und dem chinesischen Hardwarehersteller Huawei hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Wenige Tage nachdem das Handelsministerium neue Strafmaßnahmen gegen das Unternehmen verhängt hatte, kündigten mehrere IT-Firmen an, ihre Kooperation mit Huawei zu beenden. US-Präsident Donald Trump erließ am Montag per Dekret noch rasch eine Schonfrist: US-Unternehmen dürfen Huawei noch drei Monate Technologie liefern. Die Zeit soll für Software-Updates und die Erfüllung anderer Vertragsverpflichtungen genutzt werden.

Neben Chipherstellern wie Intel, Broadcom und Qualcomm sticht vor allem Google heraus, das dem langjährigen Partner bereits die Android-Lizenz entzogen hat. Google und Huawei haben sich noch nicht dazu geäußert, ob sie während der Schonfrist weiter zusammenarbeiten. Welche Konsequenzen das für die Nutzer und Unternehmen haben könnte, soll im Folgenden erläutert werden.

Frage: Welche Auswirkungen hat der Verlust der Android-Lizenz?

Antwort: Hier muss man zwischen zwei verschiedenen Punkten unterscheiden, und zwar: die Auswirkungen auf bereits verkaufte und jene auf kommende Smartphones. In Hinblick auf bestehende Geräte versichert Google, dass der Zugang zum Play Store erhalten bleiben soll. Das heißt, dass all diese Smartphones auch weiterhin App-Updates erhalten. Auch die über Google Play Protect zur Verfügung gestellten Sicherheitsfunktionen sollen weiter zur Verfügung stehen. Vonseiten Huaweis garantiert man zudem, dass es für die betroffenen Smartphones weiterhin sicherheitsrelevante System-Updates geben wird.

Frage: Also alles gut für Besitzer von Huawei-Smartphones?

Antwort: Das ist so nicht gesagt. Die aktuellen Wortmeldungen lassen einigen Interpretationsspielraum offen. So ist etwa auffällig, dass Huawei nur von Sicherheits-Updates spricht. Ob es für Huawei-Smartphones noch weitere große Android-Versionssprünge geben wird, bleibt vorerst unklar. Die Frage stellt sich deswegen, da sämtliche neuen Android-Versionen von Google getestet und abgesegnet werden müssen. Ebendieser Vorgang könnte als Kooperation ausgelegt werden – und diese ist eben nun verboten. Die Klärung exakt solcher Detailfragen dürfte auch der Grund dafür sein, warum sich Google und Huawei bisher so zurückhaltend äußern.

Frage: Tritt all das umgehend in Kraft?

Antwort: Nein. Die US-Regierung hat einige Tage nach dem aktuellen Bann diesen mittlerweile leicht abgeschwächt. Eine "Temporary General License" erlaubt es IT-Firmen vorerst für weitere 90 Tage – konkret bis zum 19. August 2019 – zusammenzuarbeiten. Das gilt allerdings nur für bereits bestehende Geräte und Support-Verträge. Für die Nutzer heißt das vor allem, dass es Google und Huawei in dem Zeitraum weiter möglich ist Updates zu liefern und Informationen über Sicherheitslücken vorab auszutauschen.

Frage: Aber was heißt das nun für kommende Geräte von Huawei?

Antwort: Die trifft der Lizenzverlust mit voller Härte. Sie erhalten – und zwar umgehend – weder Zugang zum Google Play Store noch auf andere Google-Technologien. Das bedeutet nicht nur, dass Huawei den Zugriff auf populäre Apps wie Gmail, Youtube oder die Google-Suche verliert, auch die Play Services darf man nicht mehr ausliefern. Dabei handelt es sich um einen Infrastrukturdienst, der von einem großen Teil aller Android-Apps genutzt wird und die ohne sie nicht funktionieren. Dadurch ist derzeit auch nicht klar, wie es mit kurz vor der Veröffentlichung stehenden Geräten wie dem faltbaren Smartphone Mate X weitergeht.

Frage: Was bedeutete das für Huaweis Smartphone-Geschäft?

Antwort: Nichts Gutes. Da Android in weiten Teilen als Open Source verfügbar ist, hätte Huawei zwar theoretisch die Möglichkeit, seine Geräte mit einer Android-Abspaltung auszustatten. Bisher war aber kein einziger Hersteller mit solch einem Unterfangen erfolgreich. So hatte etwa Amazon vor einigen Jahren mit dem Versuch, ein Smartphone ohne Google-Dienste auszuliefern, eine geradezu spektakuläre Bruchlandung hingelegt.

Frage: In den vergangenen Jahren war immer wieder von einem "Plan B" von Huawei zu hören. Was ist das?

Antwort: Dahinter verbirgt sich ein eigenes Betriebssystem, das Huawei angeblich seit Jahren im Geheimen entwickelt und das exakt für solche Fälle als Notfalllösung gedacht ist. Trotzdem sollte man sich davon nicht zu viel erwarten. Ein eigenes Betriebssystem zu haben bringt Huawei nur begrenzt weiter. Der größte Schaden ist der Verlust des Zugangs zum Play Store, der außerhalb von China der dominante Weg zur Verbreitung von Android-Apps ist. Zudem erwarten Nutzer in westlichen Märkten üblicherweise den Zugriff auf Google-Services. Genaugenommen hätte ein komplett neues Betriebssystem sogar noch einen entscheidenden Nachteil gegenüber der Variante einer Android-Abspaltung: Man müsste nämlich das App-Angebot quasi von null aufbauen. An diesem Nachteil gegenüber Android sind bisher praktisch alle Konkurrenten gescheitert.

Frage: Welche Auswirkungen hat das auf den weiteren Smartphone-Markt?

Antwort: Massive. Huawei ist aktuell gerade auf dem besten Wege, zum größten Smartphone-Hersteller der Welt zu werden. Auch in Österreich dürften von dem Bann hunderttausende Nutzer betroffen sein. So war das Huawei P20 Lite im vergangenen Jahr das meistverkaufte Smartphone des Landes. Allgemein liegt Huawei in Österreich bei einem Marktanteil von rund 30 Prozent. Von dem Huawei-Bann könnten nun vor allem Konkurrenten wie Samsung profitieren.

Frage: Ist Google der einzige Huawei-Partner, der solche Konsequenzen zieht?

Antwort: Bei weitem nicht. Auch Chiphersteller wie Qualcomm, Broadcom oder Intel haben mittlerweile ihre Partnerschaften aufgekündigt, immerhin sind sie ebenfalls an die Anordnungen des Handelsministeriums gebunden. Dies trifft Huawei aber weniger, da man etwa für Smartphones viele der Komponenten bereits selbst herstellt. Lediglich für die Laptopsparte könnte das ein Problem werden, da Intel hier die Prozessoren liefert. Zudem ist davon auszugehen, dass Microsoft die Lizenz für die Nutzung von Windows ebenfalls entziehen wird, eine offizielle Ankündigung gibt es aber noch nicht.

Frage: Betrifft der Huawei-Bann wirklich nur US-Unternehmen?

Antwort: Das ist eine ebenfalls noch nicht endgültig geklärte Frage. So heißt es etwa vom europäischen Chiphersteller Infineon, dass man die Rechtslage derzeit näher untersucht. Der Grund dafür: Infineon nutzt in seinen Chips diverse US-Technologien, die unter die Auflagen fallen könnten. Sollte sich diese Rechtsmeinung durchsetzen, würde dies noch viel andere europäische Unternehmen treffen.

Frage: Was ist eigentlich der Auslöser für den Bann?

Antwort: Hinter all dem steht ein lange schwelender Konflikt, der eigentlich aus einem anderen Geschäftsbereich von Huawei rührt: dem Verkauf von Netzwerktechnologie. Die US-Regierung wirft Huawei vor, auf diesem Weg westliche Mobiltelefonnetzwerke auszuspionieren. In den letzten Wochen hat die US-Regierung dabei auch den Druck auf die österreichische Regierung verstärkt, um zu verhindern, dass Huawei beim hiesigen 5G-Aufbau zum Zug kommt. Gleichzeitig ist aber auch ein Zusammenhang mit dem allgemeinen Handelsstreit zwischen China und den USA unübersehbar.

Frage: Wie reagiert China?

Antwort: Bisher betont zurückhaltend. In einer kurzen Stellungnahme der Regierung heißt es lediglich, dass man Huawei bei der Bekämpfung dieser Anordnung behilflich sein wolle. Dies ist deswegen überraschend, da China noch einige Trümpfe in der Hand hätte, werden doch die Smartphones zahlreicher US-Unternehmen – darunter die iPhones von Apple – in dem asiatischen Land gefertigt. Es gäbe hier also einige Möglichkeiten für Vergeltungsmaßnahmen. (Andreas Proschofsky, Markus Sulzbacher aus Shenzhen, 20.5.2019)