Stephen McBean (li.) und seine Band Black Mountain. Die Kanadier veröffentlichen mit ihrem Album Destroyer ein Meisterwerk in der Tradition des klassischen Hardrock der 1970er-Jahre.

Foto: Olivia Jaffe / Jagjaguar

Der Schlagzeuger trommelt, als würde er mitsamt Gerät gerade vom Treibsand verschluckt. Zäh geht es nach unten, in den Urschlamm jener dreckigen Musik, die man Hardrock nennt. Der Gitarre entfahren gemeine Riffs aus der Schule von Black Sabbath: Stumpf ist Trumpf. Der oben drüber surrende Synthesizer deutet auf eine gleichzeitig stattfindende Ufo-Landung hin. Neandertal und Hightech, Steinzeit und Zukunft in ohrenbetäubender Symbiose.

Das Lied, das die Begegnung dieser Welten im Paralleluniversum begleitet, heißt Horns Arising und stammt vom Album Destroyer der kanadischen Band Black Mountain. Destroyer erscheint am Freitag und belegt einmal mehr die ungebrochene Faszination durch den Hardrock der frühen 1970er-Jahre. Jener goldenen Ära des Mattschwarzen, in der Unheilige wie Black Sabbath, Deep Purple oder Led Zeppelin ihren Weg ans Licht fanden, um dort als Fürsten der Finsternis Zeugnis abzulegen. In Liedern über schwarze Hunde, Feen in Lederstiefeln und dergleichen mehr.

Der Beelzebub im Kinderzimmer

Aufrechte Christen bekreuzigten sich angesichts dieser Boten aus dem Schattenreich, die Weltjugend hingegen frohlockte und gab sich willig und empfänglich für die Kunde des Teufels, die sich nicht zuletzt über von hinten nach vorne abgespielte Schallplatten zu empfangen trachtete: Der Beelzebub zog unter Donnergrollen ins Kinderzimmer ein.

Future Shade – damit eröffnet das Album Destroyer.
Jagjaguwar

Diesem Kind-im-Manne-Phänomen trägt die Musik bis heute Rechnung. Hardrock klassischer Bauart hat immer Saison. Dabei stammt er nicht zwangsweise nur von Zeitzeugen, die unfähig waren, sich weiter zu entwickeln. Bands wie Black Mountain könnten, wollen aber nicht anders klingen.

Letzte Zuckungen

Sie sind eine von vielen Formationen, die ein Fach mit frischem Blut versorgen, dessen Gründerväter langsam in Pension gehen. Ozzy Osbourne geht nächstes Jahr auf Abschiedstournee, Deep Purple kommen am 1. Dezember dieses Jahres nach Klagenfurt.

Neben den in den letzten Zuckungen liegenden Dinosauriern tauchen aber beständig neue Gruppen auf, die sich mehr oder weniger ideenreich alter Vorlagen bedienen. Erst im Vorjahr poppte mit den mittlerweile Grammy-gewürdigten Greta van Fleet eine Band auf, die es ohne Led Zeppelin nicht geben würde. Zehn, zwölf Jahre zuvor waren es Wolfmother, die sich mit einem ähnlichen Rezept die Welt untertan machen wollten.

Schlichter Surrealismus

Während Greta van Fleet mit ihrer Deutung von Led Zep am Ende des Vorjahrs in diversen Jahreswertungen wahlweise als "voll super" oder als "ärgster Mist" eingeordnet wurden, betören Black Mountain nun schon fünf Longplayer lang.

Bereits das Cover zitiert die 1970er mit der Abbildung eines schlichen Surrealismus. Der beleiht die Ästhetik von Sammelklebebildchen, wie es sie zu TV-Serien wie UFO gegeben hat. Fast farbecht zeigt das Artwork von Destroyer einen Lautsprecherturm, der auf einem Felsen inmitten des Ozeans monolithisch aufragt. Er wirkt wie das Überbleibsel einer versunkenen Zivilisation, versinnbildlicht gleichzeitig die Vergänglichkeit wie die Beständigkeit des Genres.

Boogie Lover von Black Mountain.
Black Mountain

Black Mountain brechen das Reinheitsgebot von 1971 mit Zusatzstoffen aus dem Synthesizer. Der Einsatz von so neumodernem Scheißdreck kann natürlich in die Hose gehen. Doch hier besorgt es jenen notwendigen Schuss "Space", der der Musik so etwas wie extraterrestrische Sphäre verleiht.

Wasser im Bong

Gleichzeitig klingt der Synthie-Sound schwindsüchtig genug, um die Drögheit eines profanen Drogenrauschs zu übersetzen. Er verleiht dem Hörer jene Schwere, die es ihm verunmöglicht, aus dem Sofa zu kommen, solange noch Wasser im Bong blubbert.

Licensed To Drive – Stephen McBean hat den Führerschein gemacht. Das muss der Asphalt unter ihm büßen.
Black Mountain

Andernorts treten Black Mountain aufs Gaspedal. Ihr Mastermind Stephen McBean weiß um die Wirkmacht der Dynamik von schnell und langsam. Auf Destroyer gibt er den Boogie Lover im Zeitlupentempo. Als spät zum Führerschein gekommener PS-Novize huldigt er in Licensed To Drive der dreistelligen Pferdestärkenzahl seines ersten Autos: Es ist ein Song im fünften Gang. Das Fahrgestell klebt am Asphalt, Mad Max explodiert im Tank.

Der Highway ist sein Himmel, singt McBean dazu frisch konvertiert, die Sonne seine Hölle. Für einen Vertreter des lichtscheuen G'sindls muss das so sein. Ein Meisterwerk. (Karl Fluch, 21.5.2019)