Links: Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, rechts: Diktator Gaius Iulius Caesar (100-44 v. Chr.).

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Von Gaius Iulius Caesar (100–44 v. Chr.), dem überragenden Staatsmann der römischen Republik, hätte Heinz Christian Strache, bis vor kurzem Vizekanzler in Österreich, eine Menge Nützliches lernen können. Ein Politiker, der sich Caesar zum Vorbild erwählt, muss nicht zwangsläufig größenwahnsinnig sein. Er sollte lediglich Bertolt Brecht als Quelle zu Rate ziehen.

Ein solcher ehrgeiziger Politiker würde – vorausgesetzt ihn plagen nicht allzu heftige moralische Skrupel – ein vollständiges Bild dessen erhalten, wie man Karriere macht. Er hätte zu guter Letzt gelernt, wie man einen solchen Werdegang einträglich gestaltet.

Um Caesar mit Strache in Beziehung zu setzen, erscheint es vielleicht ratsam, nicht unbedingt zu fragen, wer Caesar in Wirklichkeit war: wie sein Charakter beschaffen gewesen sein muss et cetera. Antikenfreunde halten sich ohnehin besser an die einschlägigen Biografien von Sueton oder Plutarch. Das modernste, zugleich schillerndste Bild des Vollenders Roms stammt unzweifelhaft aus der Feder Brechts. Der schrieb in den Jahren des dänischen Exils, also recht unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, den Roman "Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar" (1938/39).

Volk in bitterster Armut

Ein aufstrebender Oppositionspolitiker wie Strache hätte im Sommer seines Ibiza-Vergnügens 2017 gut aufmerken und den alten Brecht besonders eifrig lesen sollen. Wir schreiben das Jahr 63 vor Christus: Die stolze römische Republik führt Krieg in Kleinasien. Vor der Rückkehr des siegreichen Feldherr Pompejus haben besonders die Banken Angst. Sie und die anderen Vertreter der besitzenden Klasse ("City") können noch nicht abschätzen, ob ein Diktator Pompejus die Steuern aus den unterworfenen Provinzen in ihre Taschen fließen lassen wird.

In Rom selbst lebt das Volk in bitterster Armut. Das Kleingewerbe steckt im Schwitzkasten der Kreditgeber. Die zahllosen Arbeitslosen leiden Hunger und besitzen ein einziges Gut, das sich gegen Essbares eintauschen lässt. Sie verkaufen bei Wahlen ihre Stimmen an den Meistbietenden.

Auf diesem ungesunden Nährboden gedeiht eine moralisch besonders abstoßende Politikerexistenz. Schwerreiche Tycoons wie Crassus bestechen ohnedies Mandatsträger, wie es ihnen beliebt.

Zeit, Gaius Iulius Caesar auftreten zu lassen. Der ist Technokrat der Macht und wird öffentlich kaum verhaltensauffällig. Er bemüht sich auch nur alle heilige Zeiten um ein republikanisches Amt (als Prätor, Quästor etc.).

Kostspieliger Lebenswandel

Lieber zieht er hinter den Kulissen die Strippen. Caesar gibt den Makler. Er macht sich ausgerechnet für die Anliegen der kleinen Leute stark. Dabei pflegt er selbst einen mehr als kostspieligen Lebenswandel. Obwohl notorisch verschuldet, lässt er auf seinem Anwesen eine Pferderennbahn bauen. Die Techtelmechtel mit adeligen Konkubinen handelt er an den verlängerten Wochenenden am Land ab.

Doch Caesar ist – in Brechts bitterböser Lesart – mehr als nur ein Talent im Wartestand. Er ist, wenn man so will, (noch) Oppositionspolitiker. Und er besitzt Einfluss. Er ist ein Faktor in der sich ankündigenden Neugestaltung Roms. Wer ein dringendes wirtschaftliches Anliegen verfolgt, besucht lieber schon heute Caesars Sprechstunde.

Ein solcher Klient wirbt am wirkungsvollsten für sich und sein Anliegen, indem er ein pralles Geldkuvert mit sich führt. Dafür klopft Caesar die zuständigen Beamten der Republik weich. Sein Schreiber, der Sklave Rarus, beschreibt den Vorgang ohne falsche Scham: "Wir wollten eine Baukonzession bei der städtischen Wasserleitung für einen Klienten, der uns eine hübsche Provision zugesagt hatte." Die Veräußerung von Wasser hätte gerade Strache bestimmt gut gefallen! Bei anderer Gelegenheit verspricht Caesar den Bewohnern der Po-Ebene die Gewährung des Bürgerrechts. Was sich für ihn "gut bezahlt" macht.

Blaues Auge

Aus der Verschwörung des Catilina, an der er hinter den Kulissen mitwirkt, trägt Caesar ein blaues Auge davon. Bis zu seiner Ermordung 44 v. Chr. ist es noch ein weiter Weg. Natürlich hatte der Autor der geschilderten Machenschaften die Weimarer Republik vor Augen. Aber Brecht, der Kommunist, weiß genug über den Geschäftsgang derjenigen, die meinen, sie müssten ihr Wirken unbedingt profitabel gestalten.

Wie sie das tun? Indem sie staatliche Einrichtungen und Güter gewinnbringend veräußern. Anno 63 v. Chr. ist es nur noch etwas zu früh für Caesar. Er wundert sich höchstens, warum es so lange dauert: "Aber wenn er auch Demokrat ist, so ist er doch so offen für jeden Vorschlag, bei dem auch nur das Geringste herausschaut, so elastisch in seinen Grundsätzen, so vorurteilslos in allen politischen Fragen, dass es einfach unerklärlich ist, wie er behandelt wird." Er könnte einem leid tun. (Ronald Pohl, 21.5.2019)