Jetzt ist Schluss mit dem Theater. Also eigentlich gar nicht. Aber in der Kantine des Schauspielhauses gibt's echte Küche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Kohlrabi: die dicken Blätter im Rohr angeknuspert, die unglaublich zarten Knollen kurz gedämpft.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Theaterbuffet, man kennt das: durchgefeuchteter Streuselkuchen, angeranzte Schinkenbrötchen, dazu warmes Bier. Oder Sekt, der auf den Zähnen wehtut. Wahre Kunst muss leiden können.

Im Schauspielhaus aber geht es seit ein paar Monaten ganz anders zu. Da hat das "kreative Kollektiv" Usus den Betrieb übernommen, eine Truppe entspannt motivierter, zugewandter junger Frauen und Männer, die zuvor etwa mit der Zwischennutzung "Creau" in den Stallungen der ehemaligen Trabrennbahn Krieau für Erfrischung gesorgt hat.

Schon damals war Patrick Müller, der Mann aus dem "Punks" mit der Rastamatte und dem Gefühl für unglaublich gutes Essen, mit von der Partie. Dort zeigte er, dass man auch in einem Container, nur aus einer Bain-Marie ernsthaft köstliches Zeug herauskochen kann.

Die Schauspielhauskantine ist ein schöner, langgestreckter Raum mit großen Fenstern zur Porzellangasse, dazu ein der Küche zugewandtes Zimmer mit gut gefülltem Naturweinkühlschrank, wo an einem mächtigen "Chef's Table" immer wieder getafelt werden kann. Außerdem hat Usus aber noch andere Locations an der Hand, etwa eine nachhaltig zerlepperte, historistische Bankiersvilla beim Türkenschanzpark, wie gemacht für Cottage-Partys der ganz anderen Art. Nur falls wer was vorhat.

Fulminanter Abend

Im Theater gibt es einerseits Tapas und Snacks fürs Publikum, köstliche spanische Oliven zum Beispiel, große, frische Salzmandeln, oder eine Salchichón vom Eichelschwein.

Anderseits aber schon auch sehr außerordentliches Essen. Die Karte legt, wie immer bei Patrick Müller, eine falsche Fährte. Da steht nur Salat, Suppe, Gemüse, Fisch und Fleisch drauf, alles zu Preisen deutlich unter zehn Euro. Dass sich daraus ein fulminanter Abend mit einem Stakkato ganz wunderbarer Sachen gestalten lässt, erfährt erst, wer die Menschen hinter der Budel bittet, Müller einfach machen zu lassen.

Meine Güte, ist das alles großartig, was der Mann dann auf die Reise zum Tisch schickt. Müller verarbeitet ganze Lämmer, die er von Sonnberg-Fleisch bezieht, Fisch, den er bei Aibler kauft, und, vor allem, jede Menge vor Frische und Kraft übergehendes Gemüse. Das kommt einerseits von Krautwerk, wo der geniale Gärtner Robert Brodnjak an den Beeten steht, und andererseits vom nicht minder erfreulichen Gärtnerhof GIN in der Donaustadt.

Vorsicht, beißt!

Ein lauwarmer Salat aus cremigen Erdäpfeln zum Beispiel, mit geschmorter Paprika und Boquerones von saftig würzigem Biss. Oder gemischter Salat, lauter fleischig kräuterige Blätter, Radieschen und gegrillte Chilis, fantastisch angemacht, herrlich.

Dann Kohlrabi: die dicken Blätter im Rohr angeknuspert, die unglaublich zarten Knollen kurz gedämpft (siehe Bild). Purer Wahnsinn mit einer bissigen Zitronenmayonnaise, die eindeutig unters Aufputschmittelgesetz fällt.

Und weiter geht es in derselben geradlinigen, frontal auf die Glücksrezeptoren zielenden Art: roh marinierte Forelle mit Zitrone, Öl, Basilikum, Schnittling und Pfeffer; Forelle gedämpft mit Selleriepüree und Spinat, scheinbar unaufgeregt, aber vor Frische und Kraft vibrierend.

Dann Lammleber in einem süßsauer surrenden Zwiebelsaftl, ja bist du deppert, ist die scharf. Ist aber noch lang nicht alles. Wer noch kann, darf sich auf knusprigen Lammbauch freuen, blitzsauber frittiert, mit Petersil und Pimientos. Oder auf Filet mit Zellerwürfeln und Butter, ganz pur und zart.

Ja, Patrick Müller kann kochen wie ganz wenige andere in der Stadt. Daran kann man noch bis Ende Juni teilhaben, dann geht es in die Sommerpause – ganz sicher ist das aber noch nicht. Juhu. (Severin Corti, RONDO, 24.5.2019)

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