Die beiden oberen Bilder und die linke untere Aufnahme (sie stammen vom Weltraumteleskop WISE, Wide-field Infrared Survey Explorer) geben die seltene Gaswolke im Infrarotlicht wieder. Rechts unten das selbe Areal, aufgenommen in sichtbarem Licht.

Foto: Vasilii V. Gvaramadze et al.

Astrophysiker haben ein wahrhaft seltenes Objekt entdeckt. Die mit J005311 bezeichnete Struktur leuchtet praktisch nicht im sichtbaren Licht und enthält weder Wasserstoff noch Helium – die beiden häufigsten Elemente des Universums. Zunächst war die astronomische Kuriosität im Sternbild Cassiopeia in 10.000 Lichtjahren Entfernung von Wissenschaftern der Universität Moskau auf Teleskop-Aufnahmen als Gasnebel wahrgenommen worden, in dessen Zentrum offenbar ein Stern sitzt.

Nähere Analysen, die gemeinsam mit deutschen Kollegen durchgeführt wurden, offenbarten schließlich, dass J005311 das Ergebnis einer stellaren Fusion sein muss, bei der zwei verglühte Sterne miteinander verschmolzen waren. Bald schon droht dem außergewöhnlichen Himmelskörper, der in der Milchstraße in dieser Form kaum ein halbes Dutzend Mal vorkommen dürfte, seine endgültige Vernichtung in einer gewaltigen Explosion.

Weder Wasserstoff noch Helium

"Erstaunlicherweise emittiert das Gebilde fast ausschließlich Infrarot-Strahlung, wie die Aufnahmen unseres Moskauer Kollegen Vasilii Gvaramadze zeigen", erklärt Götz Gräfener vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn. "Das sprach bereits für eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte." In Bonn wurde das Spektrum der von Nebel und Stern ausgesandten Strahlung detailliert analysiert. Auf diese Weise konnten die Forscher zeigen, dass das rätselhafte Himmelsobjekt weder Wasserstoff noch Helium enthielt – eine Eigenschaft, die für Weiße Zwerge typisch ist.

Sonnenähnliche Sterne erzeugen ihre Energie durch die Fusion von Wasserstoff-Kernen. Wenn der Wasserstoff verbraucht ist, nutzen sie Helium als Brennstoff. Noch schwerere Elemente können sie jedoch nicht fusionieren – ihre Masse reicht nicht aus, um die dazu nötigen hohen Drücke und Temperaturen zu erzeugen. Sobald das Helium aufgebraucht ist, verlöschen sie, kühlen ab und werden zu Weißen Zwergen.

Normalerweise ist ihre Geschichte damit zu Ende. Die Entwicklung von J005311 ging dagegen weiter, wie die Astrophysiker im Fachjournal "Nature" berichten. "Wir vermuten, dass sich dort vor vielen Milliarden Jahren in enger Nachbarschaft zwei Weiße Zwerge gebildet haben", erklärt Norbert Langer vom AIfA. "Diese umkreisten einander und erzeugten dabei Verzerrungen der Raumzeit, so genannte Gravitationswellen." Bei diesem Vorgang büßten sie nach und nach Energie ein. Im Gegenzug wurde der Radius ihres Paartanzes immer kleiner, bis sie schließlich kollidierten und miteinander verschmolzen.

Sternenfeuer neu entfacht

Das aus der Vereinigung resultierende Objekt verfügte jedoch wieder über genug Masse, um auch schwerere Elemente als Wasserstoff oder Helium zu fusionieren: Das Sternenfeuer entzündetet sich erneut. "Ein solches Ereignis ist extrem selten", betont Gräfener. "In der ganzen Milchstraße gibt es vermutlich nicht einmal ein halbes Dutzend solcher Objekte – und wir haben eines davon entdeckt."

Ein extremer Glückstreffer also, dennoch sind die Forscher davon überzeugt, dass sie mit ihrer Interpretation richtig liegen. Zum Einen leuchtet der Stern im Zentrum des Nebels 40.000 Mal so hell wie die Sonne, weit heller, als es ein einzelner Weißer Zwerg könnte. Zudem deuten die Spektren darauf hin, dass J005311 einen extrem starken Sternwind abgibt – das ist der Materiestrom, der von seiner Oberfläche ausgeht. Sein Motor ist die Strahlung, die beim "Brennvorgang" entsteht. Der Wind in J005311 ist aber mit einer Geschwindigkeit von 16.000 Kilometern pro Sekunde so schnell, dass dieser Faktor allein nicht ausreicht, ihn zu erklären. Verschmolzene Weiße Zwerge weisen jedoch ein sehr starkes rotierendes Magnetfeld auf. "Unsere Simulationen zeigen, dass dieses Feld wie eine Turbine wirkt, die den Sternwind zusätzlich beschleunigt", sagt Gräfener.

Bald explodiert die kosmische Seltenheit

Das Wiederaufflackern von J005311 wird übrigens wohl nicht von langer Dauer sein – und letztlich in einem gewaltigen Knall enden. Wenn der Stern, dessen Masse mehr als das Doppelte der Sonnenmasse beträgt, alle leichteren Elemente zu Eisen verbrannt hat, wird er in einer Supernova-Explosion vergehen. Der verbleibende Rest wird unter dem Einfluss seiner eigenen Gravitation in sich zusammenfallen. Dabei fusionieren die Elektronen und Protonen seiner Materie zu Neutronen. Der resultierende Neutronenstern hat nur noch einen Bruchteil seiner vorherigen Ausdehnung – er misst dann ein paar Kilometer im Durchmesser, wiegt aber weit mehr als das gesamte Sonnensystem. (red, 21.5.2019)