Entspanntes Lauschen für schnelle FPÖ-Doku für ORF 1: "Menschen und Mächte"-Chef Gerhard Jelinek (links im beigen Sakko) am Montag, als Sebastian Kurz ankündigte, er schlägt vor, Herbert Kickl als Innenminister zu entlassen.

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Es wird nicht die schnellste Dokumentation sein, die Gerhard Jelinek für den ORF gebaut hat. Aber sie hat gute Chancen auf die unsicherste Themenlage zum Sendetermin: Mittwoch, 20.15 Uhr in ORF1: #IbizaGate. Die Doku – Chronologie des Scheiterns.

Dienstagvormittag wusste Jelinek noch nicht, ob er die Doku schafft. Eine Hauptabenddoku über das Ibiza-Video von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus und die Folgen ihrer schwer illuminierten Krone-Übernahmepläne gegen Staatsaufträge für eine vermeintliche Oligarennichte. Und über die Geschichte der vielen Spaltungen des freiheitlichen Lagers – der eigenen Partei und einiger Bundesregierungen.

Spaltung in der DNA

Stand Dienstagvormittag: zwei Schneideräume reserviert, wenn 20 Minuten heute fertig werden, kommt die Doku, zwei Stunden danach war sie offiziell eingeplant, auch wenn die Programmseite des ORF noch eine Weile Bastille Day ankündigte.

Am Montag hat ORF-1-Senderchefin Lisa Totzauer Jelinek angerufen, ob er nicht für Mittwoch eine Doku bauen könnte. Jelinek verantwortet die ORF-2-Dokuleiste Menschen und Mächte. Und ist erfahren mit ziemlich kurzfristigen Dokumentationsprojekten.

Am 11. Oktober 2008 kurz nach ein Uhr kommt der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider schwer alkoholisiert am Steuer seines VW Phaeton auf dem Heimweg ins Bärental von der Straße ab und stirbt an schweren Kopf- und Brustverletzungen. 22 Stunden später, am Abend dieses Samstags, läuft Das war Jörg Haider, Jelineks bisher schnellste Doku.

Diesmal ist die Sachlage (bei allen Verschwörungstheorien zu Haiders Tod) volatiler – vom Freitagabend veröffentlichten Ibiza-Video über Straches Rücktritt am Samstagmittag, Kanzler Sebastian Kurz' "Genug ist genug"-Abgesang auf die Koalition mit der FPÖ über die Abberufung von Innenminister Herbert Kickl und den Auszug der übrigen freiheitlichen Regierungsriege bis zu Expertenkabinett und Misstrauensanträgen.

DNA des rechten Lagers

Jelinek will in seiner Doku – etwa mit Historiker Oliver Rathkolb und Journalismuslegende Hugo Portisch – dokumentieren, dass die Spaltung "in der DNA des rechten Lagers liegt". Dreimal platzten Bundesregierungen wegen der Freiheitlichen – 1986 mit der SPÖ, als Jörg Haider die Partei übernahm; 2005 mit Haiders Abspaltung BZÖ, der Anfang von Heinz-Christian Strache als FPÖ-Chef. Und 2019 im ersten Kabinett Sebastian Kurz. Und die FPÖ war die Abspaltung der ganz Rechten vom VdU, erinnert Jelinek.

Das Thema seiner Blitzdokumentation durchkreuzt zugleich eine – womöglich nur spekulative – Tourenvariante im Berufsweg Jelineks. Der langjährige bürgerliche ORF-Journalist, Mann der neuen Kurier-Chefredakteurin Martina Salomon, wurde in den vergangenen Tagen im ORF als Besetzungwunsch von Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz in der Chefredaktion von orf.at gehandelt. Jelinek auf STANDARD-Anfrage auf dem Weg in den Schneideraum: "Ich weiß davon nichts." Er wisse nur, dass er im ORF bis 31. Oktober arbeite und in Pension gehe – am 13. Oktober wird er 65.

Böhmermann störte

Einen Unsicherheitsfaktor für Jelineks #IbizaGate-Doku entschärfte das ZDF am Dienstag: Bis 20.15 Uhr am Mittwoch läuft ein Countdown zu einem Special von Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale. Im Quellcode der von Böhmermann dazu vertwitterten Countdown-Seite dotheyknowitsyourope.eu finden sich "Ibiza" und "Austria". Doch das ZDF ließ am Dienstag verlauten: Das Neo-Royale-Special beschäftige sich nicht mit Österreich. Schon am Sonntag erklärte das ZDF, Böhmermann habe mit dem Video nichts zu tun – es wurde ihm, wie Süddeutscher Zeitung und Spiegel, aber angeboten.

Die ebenfalls verdächtigte deutsche Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit (ZPS) wollte auf STANDARD-Anfrage nicht dementieren, an dem Video beteiligt zu sein. Zum Thema Böhmermann (Der Satiriker gilt als Unterstützer des ZPS) wollte man "nichts sagen". Böhmermann wird mitunter kritisiert, weil er mit seiner Romy-Wortmeldung zu FPÖ-Granden und russischen Oligarchen die laufende Recherche von SZ und Spiegel gefährdet haben könnte. (Harald Fidler, Stefan Weiss, 21.5.2019)