Bild nicht mehr verfügbar.

Polizei auf der einen, Flüchtlinge auf der anderen Seite im Flüchtlingslager auf der Insel Manus. Daran wird sich wohl nichts ändern.

Foto: Reuters

Die Situation auf der Insel Manus ist außer Kontrolle", warnte der iranische Autor und Journalist Behrouz Boochani am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter. Sechs Flüchtlinge hätten bereits versucht, sich im von Australien betriebenen Internierungslager in Papua-Neuguinea das Leben zu nehmen. "Manus wird zum Friedhof", so Boochani, der seit mehreren Jahren in der Anlage lebt.

Insgesamt fast 1.000 Flüchtlinge werden auf der Insel Manus sowie im kleinen Pazifikstaat Nauru auf Geheiß der australischen Regierung festgehalten – einige seit mehr als fünf Jahren. Die unerwartete Wiederwahl der konservativen Regierungskoalition unter Premierminister Scott Morrison am Samstag habe vielen Internierten die Hoffnung geraubt, in absehbarer Zeit entlassen zu werden.

"Unser Leben hing davon ab"

Die Flüchtlinge hatten offenbar auf einen Sieg der oppositionellen Labor-Partei gehofft – und auf eine Lockerung der von einem ehemaligen Lagerarzt als "Folter" kritisierten Politik der Zwangsinternierung. "Unser Leben hing davon ab", so Boochani. Die Flüchtlinge hätten damit gerechnet, eine Labor-Regierung würde ein von Neuseeland gemachtes Angebot, 150 von ihnen aufzunehmen, akzeptieren. Die konservative Regierung unter Premierminister Scott Morrison lehnt dies ab.

Wie der Polizeikommandant von Manus, David Yapu, gegenüber CNN meinte, hätten zwei auf der Inseln Festgehaltene versucht, sich das Leben zu nehmen. Zwei weitere Suizidversuche seien aus der Hauptstadt Port Moresby gemeldet worden. Laut Boochani, der sich als Sprecher der Festgehaltenen einen Namen gemacht und ein Buch über die Situation auf Manus geschrieben hat, führt die Diskrepanz bei den Opferzahlen darauf zurück, dass "die Polizei nicht über alle Fälle hier Bescheid weiß".

Schweigen der Regierung

Ian Rintoul, der Sprecher der australischen Flüchtlingsorganisation Refugee Action Coalition, bestätigte die Meldungen: "Es gibt eine Welle von Suizidversuchen seit dem Wahlausgang vom Samstag." Die australische Regierung äußerte sich bis Mittwochabend nicht offiziell zu den Meldungen.

Beobachter gehen davon aus, dass ein jüngst gegen den Willen der australischen Regierung eingeführtes Gesetz wieder rückgängig gemacht werden soll. Danach soll es nun im Ermessen von Ärzten liegen, ob kranke oder verletzte Flüchtlinge aus den Lagern zur Behandlung nach Australien gebracht werden sollen. Zuvor entschieden das die Behörden. In einigen Fällen starben Schwerkranke oder -verletzte, weil ihnen der Flug nach Australien verweigert worden oder die Bewilligung nicht rechtzeitig eingetroffen war.

Mehr als 4.000 Männer, Frauen und Kinder sind seit 2012 in den Lagern festgehalten worden, nachdem die damalige australische Labor-Regierung beschlossen hatte, kein sogenannter Bootsflüchtling dürfe jemals einen Fuß auf australischen Boden setzen. Es handelte sich dabei meist um aus Afghanistan, Irak und Iran stammende Menschen, die versucht hatten, von Indonesien oder Sri Lanka aus auf Fischerbooten nach Australien zu gelangen, um dort Schutz zu suchen.

Schlimmer als im Kriegsgebiet

Die Lebensbedingungen in den Lagern wurden unter Scott Morrison deutlich verschärft, als dieser 2013 in der neuen konservativen Regierung Einwanderungsminister wurde. Amnesty International sprach nach einer Inspektion der Pazifikinsel Nauru von einem "Regime systematischer Vernachlässigung und Grausamkeit". Nicht einmal in Kriegsgebieten in Syrien und im Irak habe man derart inhumane Zustände angetroffen, unter denen Flüchtlinge leben müssen, die den Schutz Australiens gesucht hatten.

Von ehemaligen Wärtern und Angestellten im Asylinternierungslager Nauru verfasste Berichte zeichnen ein Bild der Brutalität, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung: Fälle von Suizidversuchen, Selbstverstümmelungen, körperlichen Angriffen auf die festgehaltenen Asylsuchenden seien an der Tagesordnung. Besonders häufig sind Berichte über angedrohte und erfolgte sexuelle Belästigungen von Frauen und Kindern. So sollen Wärter Kinder geschlagen und sexuell missbraucht haben.

Mehrheit für harten Kurs

Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter der "Politik der Grausamkeit", wie Kritiker sie nennen. Die Regierung vertritt den Standpunkt, die Praxis der Abschreckung von Nachahmern sei erfolgreich. Sie habe die Boote gestoppt, es würden keine Menschen mehr auf dem Weg nach Australien ertrinken.

Wie viele der oftmals kaum seetüchtigen Schiffe in den Gewässern im Norden des Kontinents von der australischen Marine zur Umkehr gezwungen werden und wie viele Menschen auf dem Rückweg ertrinken, ist jedoch unklar. Die Regierung hat alle entsprechenden Informationen zur Geheimsache erklärt. (Urs Wälterlin aus Canberra, 23.5.2019)