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Die Demokratin Rashida Tlaib forderte vergangene Woche mit Demonstranten die Einleitung eines Impeachment-Verfahrens gegen Trump.

Foto: GETTY IMAGES/MARK WILSON

Die Zeit sei gekommen, Donald Trump lasse einem keine andere Wahl, sagt Alexandria Ocasio-Cortez, die Galionsfigur der amerikanischen Linken. Der Kongress müsse endlich ein Impeachment-Verfahren gegen ihn einleiten. Andere sprechen von erschöpfter Geduld, etwa Mary Gay Scanlon, eine Juristin, die spät in die Politik einstieg und mit ihren 60 Jahren zum ersten Mal im Repräsentantenhaus sitzt.

Gewählt im beschaulichen Vorortgürtel um Philadelphia, wo mal die Demokraten, mal die Republikaner gewinnen, steht sie eigentlich für den moderaten Flügel ihrer Partei. Nicht aber, wenn es um die Causa Impeachment geht. Nicht mehr. "Wir haben es mit einem Präsidenten zu tun, der das Parlament auflaufen lässt, wo immer es geht", begründet sie, warum sie auf einen härteren Kurs einschwenkt.

Trump seines Amtes entheben: Manche seiner Gegner träumten schon davon, da war der Geschäftsmann gerade ins Weiße Haus eingezogen. Zwischenzeitlich schien es, als habe man sich damit abgefunden, dass allein die Wähler, frühestens 2020, einen Personalwechsel im Oval Office herbeiführen können. Nun ist es vorbei mit den leiseren Tönen. Eine lautstarke, zudem wachsende Fraktion in den Reihen der Demokraten drängt darauf, das Amtsenthebungsprozedere unverzüglich in Angriff zu nehmen.

Der leere Stuhl

Anlass ist ein leerer Stuhl, in den Augen der Opposition das Symbol für die anmaßende Art eines Staatschefs, der sich aufführt, als wäre er ein König und das Parlament allenfalls schmückendes Beiwerk. Auf dem Stuhl sollte Donald McGahn sitzen, ehemals oberster Rechtsberater der Regierungszentrale, inzwischen zurückgekehrt zu einer privaten Anwaltskanzlei.

McGahn, den der Russland-Sonderermittler Robert Mueller in seinem Bericht besonders ausführlich zitiert hatte, sollte vorm Justizausschuss der Abgeordnetenkammer Farbe bekennen. In aller Öffentlichkeit sollte er beantworten, ob Trump Muellers Ermittlungen behinderte – und wenn ja, wie. Der Präsident pfiff ihn zurück, mit dem Argument, die Verfassung garantiere seinen ranghohen Beratern "absolute Immunität", auch dann, wenn der Kongress sie zwangsvorlade. Der Ausschussvorsitzende Jerrold Nadler, ein New Yorker, der schon früher in Manhattan manchen Strauß mit dem Immobilienentwickler Trump ausgefochten hatte, kommentierte es mit einer Gardinenpredigt: Das Parlament werde es weder dem Präsidenten noch dessen Verbündeten gestatten, sich über das Gesetz zu erheben.

Nach dem Mueller-Report

Längst geht es um Grundsätzliches, nicht mehr nur um die eine oder andere Quelle des Mueller-Reports. Nach dem Prinzip der Gewaltenteilung hat die Legislative sowohl das Recht als auch die Pflicht, die Arbeit der Exekutive zu kontrollieren. Trump dagegen stellt es hin als ewiges Nachkarten ewiger Verlierer, die eine Niederlage einfach nicht akzeptieren können.

Fast immer, wenn der Kongress Zeugen vernehmen möchte, um sein Tun zu untersuchen, legt er neuerdings sein Veto ein. Schon um ihm einen Schuss vor den Bug zu geben, um die Blockade aufzubrechen, drängen die eifrigsten seiner Kritiker auf erste Schritte hin zu einer Amtsenthebung.

Der Showdown zeigt aber auch, dass die Demokraten in einem Dilemma stecken. Sollen sie einen Impeachment-Marathon riskieren und es sich damit mit jenen Wählern der Mitte verscherzen, deren Gunst sie beim Halbzeitvotum im November gerade erst zurückerobert haben? Oder sollen sie ihre eigene, nach links gerückte Basis brüskieren, die Trump so sehr verachtet, dass sie ihn aus dem Amt jagen will?

Pelosi bremst

Nancy Pelosi, die Grande Dame des Parlaments, versucht sich einstweilen als Bremserin. Sie riecht die Gefahr, dass sich ihre Partei im Impeachment-Fieber verrennt und dabei Themen vernachlässigt, die den Leuten wichtiger sind – von bezahlbaren Krankenversicherungen über erschwingliche Studiengebühren bis hin zum Schutz der Schulen vor bewaffneten Amokläufern. Zudem weiß sie um die reale Kräftebalance. Um Trump aus dem Amt zu zwingen, müsste sich eine Zweidrittelmehrheit des Senats gegen ihn stellen, was voraussetzt, dass sich um die 20 republikanische Senatoren von ihm abwenden.

Im Moment deutet nichts daraufhin hin. Trump, warnte Pelosi denn auch in einem Augenblick schnörkelloser Offenheit, stachle die Demokraten regelrecht an, es mit dem Impeachment zu versuchen. Man wäre gut beraten, gab sie zu verstehen, nicht in die Falle zu tappen. (Frank Herrmann aus Washington, 23.5.2019)