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Nachdem der damalige Außenminister Sebastian Kurz im Mai 2017 in der ÖVP die Macht übernommen hatte, kam es im September zur bislang letzten vorgezogenen Nationalratswahl.

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Der 25. November 1945 markiert einen historischen Tag in Österreich. An diesem Tag fanden in der Zweiten Republik die ersten Wahlen zum Nationalrat statt. Die Monate zuvor hatte Österreich zwar schon seine erste Staatsregierung, damals mit Karl Renner als Bundeskanzler, diese war jedoch keine gewählte, sondern eine von den drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ vereinbarte.

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Bisher wurden in Österreich 22 Nationalratswahlen abgehalten. Vorgezogene Wahlen stellen dabei keine Seltenheiten dar, im Gegenteil. Die Mehrheit der Legislaturperioden erreichte nicht ihre verfassungsmäßige Dauer, sondern endete in der Selbstauflösung des Parlaments. 13 der 22 Nationalratswahlen der Zweiten Republik waren vorgezogenen Neuwahlen.

Gescheiterte und langlebige Bundesregierungen

Hielt die erste gewählte Regierung unter Leopold Figl (bestehend aus ÖVP, SPÖ und KPÖ, wobei 1947 die KPÖ aus der Regierung ausschied) noch die ganze Legislaturperiode von vier Jahren, prägten daraufhin Neuwahlen die Bundespolitik. Die Wahlen in den Jahren 1949, 1953, 1956, 1959 und 1963 – allesamt führten sie zu Koalitionen von ÖVP und SPÖ – waren vorgezogene Wahlen. Die erste Alleinregierung der ÖVP unter Bundeskanzler Josef Klaus beendete diese Tradition.

Nachdem Bruno Kreisky 1971 seine SPÖ-Minderheitsregierung vorzeitig beendete und dadurch Neuwahlen auslöste, folgten daraufhin in der österreichischen Politik zwölf Jahre ohne vorgezogene Nationalratswahlen. Kreisky ist es übrigens, der mit 4.781 Tagen die längste Amtszeit aller Bundeskanzler vorweisen kann. In der Zeit danach prägte ein Wechsel aus regulär und vorzeitig beendeten Legislaturperioden die Bundespolitik.

In den 2000er-Jahren häuften sich wieder die vorgezogenen Nationalratswahlen. So wurden fünf der sechs Legislaturperioden dieses Jahrtausends vorzeitig beendet. Die Ausnahme stellt dabei die Bundesregierung unter Werner Faymann dar, die mit 1.840 Tagen auch die am längsten dienende aller bisher 30 Regierungskabinette ist. Der Grund dafür: Bis ins Jahr 2007 betrug die Dauer einer Legislaturperiode des Nationalrats vier Jahre – seitdem schreibt die Verfassung eine Dauer von fünf Jahren vor.

Im Durchschnitt hielt sich eine österreichische Bundesregierung 902 Tage oder circa zweieinhalb Jahre, bevor es entweder zu einem Kabinettswechsel oder einer Nationalratswahl kam. Diese zwei Ereignisse müssen sich nicht unbedingt decken. Es kann, wie zuletzt bei der Übergabe von Werner Faymann an Christian Kern, ein neues Kabinett auch ohne Neuwahl übernehmen und sich aus den Ergebnissen der vorangegangenen Nationalratswahl legitimieren.

Vorgezogene Nationalratswahlen sorgten in der Zweiten Republik selten für veränderte Machtverhältnisse. Im Gegenteil, die bisherigen Neuwahlen hatten meist zur Folge, dass weiterhin diejenige Partei den Bundeskanzler stellte, welche auch in der Legislaturperdiode davor das Kanzleramt inne hatte. Die einzigen Ausnahmen: Die SPÖ unter Alfred Gusenbauer löste nach der vorgezogenen Nationalratswahl 2006 die ÖVP unter Wolfgang Schüssel ab; umgekehrt übernahm Sebastian Kurz' ÖVP 2017 das Kanzleramt von der SPÖ.

Parteien und ihre Koalitionsbrüche

In der Zweiten Republik machten bisher alle Parteien, die an einer Regierung beteiligt waren, Erfahrungen mit Koalitionsbrüchen und einem vorzeitigen Ende ihrer Regierungszeit. ÖVP und SPÖ weisen mit elf beziehungsweise zehn vorzeitig beendeten Regierungszeiten die meisten vor, wobei diese zwei Parteien auch mit Abstand am häufigsten an einer Regierung beteiligt waren. So regierte die SPÖ bisher 19-mal, die ÖVP 17-mal in der Zweiten Republik.

Die FPÖ musst alle ihrer bisher ingesamt vier Regierungsbeteiligungen vorzeitig beenden. BZÖ und KPÖ konnten ihre jeweils einzige Beteiligung ebenfalls nicht regulär zu Ende bringen.

Beim Scheitern einer Regierung wie auch am Ende jeder planmäßig verlaufenen stellt sich die Frage nach dem nächsten Wahltermin. Hier zeigt sich eine klare Präferenz in Österreich: Acht der 22 bisherigen Nationalratswahlen fanden im Oktober statt.

Allgemein ist der Herbst in Österreich eine beliebte Zeit für Wahlen, denn 14 von 22 Nationalratswahlen fanden im September, Oktober oder November statt. (Valentino Filipovic, 24.5.2019)