Sich die Unterschenkel selbst massieren, indem man sie über die Rolle wälzt, kann wehtun und sogar den Venenklappen schaden, warnt ein deutscher Orthopäde.

Foto: istockphoto

Faszienrollen haben einen regelrechten Siegeszug angetreten. Auch in Fitnesscentern werden sie ins Training eingebaut. Sie sollen Muskeln lockern und die Durchblutung fördern. Es gibt harte und weniger harte Rollen, wer sich über die Schaumstoffrollen wälzt, hat den Eindruck, als würde man sich selbst massieren.

Ob durch diese manchmal auch sehr schmerzenden Bewegungen Belastungen der Körperstrukturen entstehen können, wurde bisher nicht untersucht. Christian Baumgart, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in Münster, wollte diese Frage zusammen mit Kollegen klären. Erstes Fazit: Es gibt viel Hype um die Rollen, jedoch wenig wissenschaftliche Evidenz.

Baumgart ist Wissenschafter an der Bergischen Universität Wuppertal und untersucht die biomechanischen Effekte des Foam-Rollings. Er verweist darauf, dass Wirkung und Risiken nicht ausreichend untersucht sind. In einer Studie nutzten Studenten unter fachkundiger Anleitung die Massagerollen je zweimal eine Minute pro Muskelgruppe an den Beinen. Danach wurde zum einen die vertikale Sprunghöhe gemessen: Es tat sich nichts.

Spannung in Muskeln

Zusätzlich wurde mit einem Taststift die Spannung der Muskulatur gemessen – auch hier gab es nur geringe Veränderungen. Zum Vergleich: Nach einer zehnminütigen Belastung auf dem Fahrradergometer sprangen die Studierenden höher.

Auch hinsichtlich der Effekte solcher Rollen auf das Bindegewebe sind die Wissenschafter vorsichtig. Baumgart: "Faszien sind sehr dünn, und die Wirkung einer reinen Kompression ist fraglich. Im Gegenteil: Langfristige Folgen und gesundheitliche Risiken könnten mitunter größer sein, wenn das intensive Rollen zum Beispiel Schäden an den Venenklappen verursacht." Auch ein negativer Effekt der Kompression von Haut, Unterhaut, Muskeln, faszialen Arealen und Knochen sei denkbar, aber bisher noch wenig untersucht.

Das Foam-Rolling kann auch keine manuellen Techniken zur Lockerung der Muskulatur ersetzen. "Ein Therapeut oder Masseur behandelt in der richtigen physiologischen Zugrichtung. Er merkt, ob und was da im Inneren eventuell entgegenspannt", so Baumgart. Deshalb hinkt der Übertrag von Effekten physiotherapeutischer Anwendungen auf die der Rolle. Auch ist die Wirkung klassischer Dehnmethoden häufig vergleichbar oder sogar besser – zum Beispiel für die (kurzfristige) Steigerung der Beweglichkeit.

Biomechanische Belastung

Verschiedene Rollentypen führen zu unterschiedlichen biomechanischen Belastungen. Auf harten Noppen beispielsweise sind die Spitzendrücke um ein Vielfaches höher. Auch das kann zum Beispiel einen Einfluss auf die Veränderung der Schmerzdruckschwelle haben. Beim Rollen über die Wade oder über den vorderen Oberschenkel haben die Forscher eine Belastung von durchschnittlich 30 Prozent des Körpergewichtes gemessen. Bei Menschen, die sich mit dem Rücken darauflegen und rollen, liegt diese Belastung um ein Vielfaches höher. Baumgart wird seine Ergebnisse auf dem Kongress der Orthopädisch-Traumatologischen Gesellschaft für Sportmedizin im Juni in Salzburg vorstellen. (red, 27.5.2019)