Robert-Hochner-Preisträger Wagner: "ORF-Journalisten sollten sich an Robert Hochner orientieren: Unbequem sein und sich bei den Mächtigen unbeliebt machen – manchmal kriegt man sogar einen Preis dafür."

Foto: ORF. Leitner

Donnerstagabend wurde der Robert-Hochner Preis 2019 vergeben, der dieses Jahr wie berichtet an die Redaktion des ORF-"Report" geht. Die TV-Sendung stehe für "Unabhängigkeit, Fairness und kritisches Hinterfragen komplexer politischer Vorgänge". Damit arbeite das zehnköpfige Team im Sinne des verstorbenen ZiB 2-Moderators Hochner, in dessen Gedenken die Auszeichnung verliehen wird.

In seiner Dankesrede erinnert sich ORF-"Report"-Chef Wolfgang Wagner an seine erste Begegnung mit Robert Hochner, erklärt, warum er sich gegen Aussagen wie "Gesinnungsjournalismus" wehren muss und warum saubere Information für Demokraten lebenswichtig ist. Im Folgenden Wagners Rede im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst bei der Jury für diese Auszeichnung, die ich stellvertretend für das Report-Team entgegennehmen darf und die uns ungemein viel bedeutet! Danke unserer Chefredakteurin Waltraud Langer, die uns im Tagesgeschäft den Rücken stärkt, Danke an Programmdirektorin Kathrin Zechner, die die Weiterentwicklung zum Bürger-Report ermöglicht hat, Danke an Generaldirektor Alexander Wrabetz, der uns nach den Angriffen des FPÖ-Mediensprechers Jenewein unterstützt hat.

Ich bitte um Applaus für das ausgezeichnete Team, das ich seit einem Jahr führen darf, zuvorderst unsere großartige Moderatorin Susanne Schnabl, Ernst Johann Schwarz, Martina Schmidt, Helga Lazar, Martin Pusch, Eva Maria Kaiser, Stefan Daubrawa, Sophie-Kristin Hausberger und Kathrin Strobl. Alexander Sattmann und Yilmaz Gülüm sind zur Zeit auf Karenz, Katja Winkler und Jakob Horvath haben sich beruflich verändert, Katja Arthofer ist nach drei Monaten Rotation wieder zurück im Radio – aber sie sind heute da, bitte um Applaus – Melisa Erkurt hat neben ihrem Hauptjob in der Schule mitgearbeitet – ihnen allen Danke für ihren Beitrag zum "Report" und zu dieser Auszeichnung! Last but not least bedanke ich mich bei meinem Vorgänger Robert Wiesner, dessen erfolgreichen Weg ich weitergehen darf!

Erinnerungen an Robert Hochner

Robert und ich hatten das Privileg, in den 90er-Jahren mit dem anderen Robert, dem unvergessenen Robert Hochner, in der ZIB2-Redaktion zusammen zu arbeiten. Ich möchte kurz zwei persönliche Erinnerungen mit ihnen teilen. Robert Hochner war mein Idol und wahrscheinlich mitverantwortlich für meine Berufswahl. Wie es der Zufall wollte, war mein erster Arbeitstag in der ZIB-Redaktion derselbe, an dem er nach seinem Ausflug in die Printszene auf den Küniglberg zurückkehrte. Und wir wurden hintereinander für den ORF-Dienstausweis fotografiert. Ich weiß nur, dass ich extrem nervös war und er total nett mit mir umgegangen ist. Zu dieser kollegialen Seite von Robert Hochner noch eine Erinnerung: Eine 'frischgfangte' freie Mitarbeiterin – mittlerweile sehr renommiert – erzählt in der Redaktion, dass sie sich beim Bezug ihrer neuen Wohnung vermessen hat und jetzt leider ein sperriges Möbelstück nicht durchs Stiegenhaus passt.

Ein paar Tage später läutet ein Kranfahrer an ihrer Tür und fragt, ob er das Sofa über ihren Balkon transportieren kann. Robert hat das auf seine Kosten veranlasst und auch noch bei der Gemeinde die Straße sperren lassen.

Von der Erinnerung an den Menschen und Kollegen zu dem, was ihn uns zum Vorbild macht: Robert war unbequem, und jederzeit bereit, sich unbeliebt zu machen – bei Mächtigen, durchaus auch bei Vorgesetzten. Wenn er etwas recherchiert hatte und für wichtig hielt, blieb er hartnäckig dran, ob in Redaktionssitzungen oder bei seinen legendären Interviews. Unerschrocken, aber mit Witz, beispielhaft im Gespräch mit Frank Stronach, der bei Magna keinen Betriebsrat zuließ, indem er die Frage so einleitete: 'Auch auf die Gefahr hin, dass sie den ORF kaufen und mich rauswerfen…'. Bei allem Humor steckt da die journalistische Essenz drinnen, ewig gültig – im Interesse des Publikums das fragen, was Sache ist, auch wenn es dem mächtigen Gegenüber unangenehm ist.

Lassen sie mich jetzt die Brücke zur Gegenwart schlagen, zeitlich und örtlich.

Vor fünf Tagen haben genau hier der Bundespräsident und der Bundeskanzler Statements zur Lage abgegeben. Viele Fragen blieben offen, worauf mein hoch geschätzter Kollege Ernst Johann Schwarz und sein Kameramann Bundeskanzler Kurz beim Verlassen der Präsidentschaftskanzlei nachliefen. Ernst Johann, EJ nennen wir ihn – Doyen der Fernsehjournalisten – fragte den Kanzler, was jetzt mit der Steuerreform und der Mindestsicherung geschehe, und bekam keine Antworten. Das freute den Kanzler sichtlich nicht, war aber im Interesse der Zuschauer notwendig.

Oder Susanne Schnabl, im Juni des Vorjahres beim Studiogespräch mit Herbert Kickl. Von der ersten Minute des Interviews an, in dem es um die Grenzschutz-Übung in Spielfeld und die BVT-Causa ging, agierte der Innenminister im Angriffsmodus, stellte Susannes Kompetenz in Frage, bestritt Fakten, wie die kurz davor in der ZIB dokumentierte Kritik der slowenischen Regierung. Aber Susanne blieb ruhig und fragte hartnäckig nach. Ein herausragendes Beispiel souveräner Interviewführung. Die FPÖ sah es anders und beklagte sich bei mir über Unfairness.

Wegen übler Nachrede verurteilt

Es sollte nicht die letzte Beschwerde sein – was völlig ok ist, solange die öffentliche Kritik nicht so ausfällt, wie durch FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein an meinem Interview mit dem Bundespräsidenten auf seiner Israelreise. Ich hätte versucht, ihm durch meine Fragen zu Israels Boykott der FPÖ-Regierungsmitglieder, einen "negativen Sager zur FPÖ zu entlocken". Ich sei ein "Gesinnungsjournalist", der das Objektivitätsgebot verletze. Die Sendung erinnere an die 'Aktuelle Kamera' in der DDR – deren Chefredakteur übrigens Mitglied des SED-Politbüros war. Solche "Entgleisungen" müssten zu einer "ORF-Reform an Haupt und Gliedern" und einer 'personellen Neuausrichtung' führen, damit Personen wie ich ihre Gesinnung nicht auf Kosten der Gebührenzahler ausleben könnten. Vergangene Woche wurde der FPÖ-Klub, der die Aussendung verantwortete, deswegen wegen übler Nachrede verurteilt. Mit der richterlichen Begründung 'dass die Aussagen nichts mit sachlicher Kritik zu tun' hätten und über die Grenzen der Meinungsfreiheit hinausgingen. Die FPÖ beruft dagegen. Warum habe ich den Rechtsweg beschritten, war das wehleidig?

Ich bin überzeugt, dass man sich als Leiter des ORF-Politik-Magazins in so einem Fall wehren muss, um deutlich zu machen, dass man sich und seine Kolleginnen und Kollegen nicht einschüchtern lässt. Schon gar nicht von jemandem, der im Hintergrund an einem neuen ORF-Gesetz mitverhandelt. Deswegen die Klage – und nicht weil die Anschüttung von der FPÖ kam. Ich habe weder das sogenannte 'Moltofon' der ÖVP in der Ära Lindner vergessen, noch jene acht Sekunden, die aus meinem ZIB-Beitrag entfernt wurden, weil darin wahrheitsgemäß vorkam, dass der Sohn des damaligen SPÖ-Kanzlers Klima Rechnungsprüfer des skandalumwitterten Vereins Euroteam war. In all diesen Fällen hat sich die ORF-Redakteursvertretung gewehrt und den beteiligten Politikern hat es geschadet. Und ich vergesse auch nicht jene Kollegen aus dem mittleren ORF-Management und jene Stiftungsräte, die plötzlich gegen die ZIB2 und eigentlich insgesamt gegen kritischen Journalismus im ORF zu lobbyieren begannen. Das gipfelte in dem Vorwurf, Armin Wolf "verhöre" die Studiogäste wie im Gerichtssaal.

Ich kann ihnen sagen, nachdem ich vergangene Woche im Zeugenstand einvernommen wurde: Unter Wahrheitspflicht – mit Strafandrohung bei Falschaussage – fühlt es sich anders an, als im ORF-Studio.

ORF als wichtiger Teil der Infrastruktur der Demokratie

Ich bin stolz darauf, wie wir im 'Report' und die tollen Kolleginnen und Kollegen der ZIBs gerade allen Kritikern, die den ORF für verzichtbar erklärt haben, das Gegenteil beweisen. Es wird umfassend berichtet, es wird kritisch berichtet, alle Parteienvertreter werden kritisch befragt, und wenn Fragen nicht zugelassen werden, fordert man sie ein, im Namen der Wählerinnen und Wähler. Der ORF belegt gerade den Satz von Medienwissenschafter Matthias Karmasin im Report-Studio, der den ORF einen 'wichtigen Teil der Infrastruktur der Demokratie' genannt hat. Und weil in so aufregenden Zeiten praktisch Jeder und Jede in diesem Land den ORF nutzt, viele davon über orf.at oder die TVthek, finde ich auch Karmasins Eintreten für eine Haushaltsabgabe nach deutschem und Schweizer Vorbild überzeugend.

Es gibt auch den juristischen Begriff der Daseinsvorsorge, den ich mir nur zu verwenden getraue, weil der Herr Bundespräsident vor ein paar Tagen von der Eleganz und Schönheit unserer Verfassung gesprochen hat. Daseinsvorsorge umfasst normalerweise Wasser und Strom, aber aus meiner Sicht ist auch saubere Information für Demokraten lebenswichtig. Auch jene, die keine GIS-Gebühr zahlen, halten es für selbstverständlich, dass man jederzeit ORF-Angebote im Netz abrufen kann. Aber es ist eben nicht selbstverständlich. Diese Verlusterfahrung haben gestern Millionen Österreicher gemacht, als ihnen wegen eines Defekts im A1-Leitungsnetz ihre Lieblingssendung Bundesland Heute vorenthalten wurde.

Guter Journalismus ist teuer, braucht ausreichend journalistisches Personal für Recherchen – speziell wegen des gesetzlichen Auftrags an den ORF, zu umfassender, objektiver Berichterstattung. Das gilt besonders für Fernsehmagazine – ein Premiumprodukt. Wir wollen investigativ arbeiten, hinter die Kulissen blicken, besonders nahe dran sein und ganz genau hinschauen. Nicht belehren, sondern Zusammenhänge erklären.

Das braucht unsere Gesellschaft mehr denn je. Deshalb freut uns der Vertrauensbeweis unseres Publikums bei der letzten Sendung so besonders: Mit fast 1,3 Millionen Zuschauern war es die meistgesehene Sendung seit dem Jahr 2000. Damals waren es 100.000 mehr als schwarz-blau eins antrat.

Zum Schluss, weil in der Branche in den letzten Jahren so viel über 'Haltung' diskutiert wird: ORF-Journalisten sollten sich an Robert Hochner orientieren: Unbequem sein und sich bei den Mächtigen unbeliebt machen – manchmal kriegt man sogar einen Preis dafür." (red, 23.5.2019)