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"Schulstreik für das Klima": Mit dieser Botschaft setzt sich Greta Thunberg seit vergangenem Sommer wöchentlich vor den schwedischen Reichstag.

Foto: Reuters

Die Tafel sieht schon abgegriffen aus, an der unteren Kante blättert der weiße Lack ab. Doch die Schrift auf dem Schild, das es im vergangenen Jahr auf die Titelseiten internationaler Medien geschafft hat, ist noch gut zu lesen: Skolstrejk för klimatet – Schulstreik für das Klima. Die junge Frau, die die Botschaft Woche für Woche in der Innenstadt von Stockholm hochhält, wirkt hingegen kein bisschen angeschlagen: Die 16-jährige Greta Thunberg ist mittlerweile in sozialen Medien zu einer Ikone geworden.

Wer ist die junge Schwedin? Auf der Kurznachrichtenplattform Twitter, auf der mehr als 630.000 Menschen der Klimaaktivistin folgen, wirkt Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg – wie sie mit vollem Namen heißt – zeitweise wie eine ganz normale Jugendliche: "Ich hatte eine große Prüfung, deshalb bin ich spät dran", twitterte die Schülerin vergangene Woche und erklärte damit ihre verzögerte Ankunft vor dem schwedischen Reichstag.

Vom einsamen Protest zur weltweiten Bewegung

Dort macht die junge Frau mit zwei Zöpfen und rundem Gesicht seit mittlerweile 40 Wochen auf die weltweite Klimakrise aufmerksam. Was im August 2018 als einsamer Protest, ausgestattet mit ebenjenem Schild, einem Rucksack und einigen Infoblättern, startete, hat sich mittlerweile zu einer weltweiten Bewegung entwickelt.

Für Thunberg selbst dürfte sich seither einiges geändert haben: Die Schwedin sprach im Dezember auf der Weltklimakonferenz in Polen. Im Jänner warnte sie internationale Gäste auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: "Unser Haus brennt." Sie forderte Politiker auf, so zu agieren, als würde das eigene Heim in Flammen stehen – und bezog sich damit auf die globale Erwärmung, die in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zugenommen hat. Die Reise der Schülerin ging weiter nach Rom, wo sie Papst Franziskus traf, nach Großbritannien, wo sie im Parlament sprach, zum Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in Brüssel und nächste Woche Dienstag auch nach Wien.

Das Schild von Thunberg war auch in Davos mit dabei. Dort sprach die junge Schwedin im Jänner am Weltwirtschaftsforum.
Foto: APA/AFP/FABRICE COFFRINI

Thunberg wird zusammen mit Arnold Schwarzenegger beim "Klima-Kirtag" auf dem Wiener Heldenplatz sprechen. Dort finden seit Monaten wöchentliche Klimaproteste statt. Auch am heutigen Freitag. Am zweiten internationalen Klimastreiktag werden wieder tausende Demonstranten in der Wiener Innenstadt erwartet. Aber auch in den anderen Ländern der Welt dürfte viel los sein: Laut Thunberg haben sich Organisatoren aus 118 Ländern der Fridays-for-Future-Bewegung angeschlossen. Beim letzten vergleichbaren Protest Mitte März nahmen weltweit rund 1,4 Millionen Menschen teil.

Thunbergs Reise führte sie aber nicht nur quer durch Europa – immer mit dem Zug oder dem Elektroauto -, sondern auch in die Tiefen der sozialen Medien. Dort sieht sich die Jugendliche mit viel Kritik konfrontiert – mehr vielleicht, als einer 16-Jährigen zumutbar ist. Die Schülerin sei ein "Welpe", der nicht für sich selbst denken könne, steht da etwa. Andere fragen sich: "Wird Klimaschutz-Greta gesteuert?"

Eltern ernten viel Kritik

Ihren Eltern – Malena Ernman, eine Opernsängerin, und Svante Thunberg, ein schwedischer Schauspieler – wird vorgeworfen, sie zu Marketingzwecken zu instrumentalisieren. Die Schülerin reagierte darauf immer wieder direkt – und mit Unverständnis. Zuletzt etwa im Spiegel: "Manche sagen, meine Eltern hätten mich einer Gehirnwäsche unterzogen. Aber es ist andersherum: Ich habe sie einer Gehirnwäsche unterzogen."

Anlass für den Unmut war das Buch ihrer Mutter, das in etwa zur Zeit des ersten Klimastreiks in Schwedens Bücherregalen landete. Die Sängerin, die das Königreich 2009 beim Eurovision Song Contest vertrat, beschreibt darin, wie ihr Kind ihre Sicht auf die Erderwärmung verändert hat. Thema ist auch Thunbergs Autismus, über den die 16-Jährige selbst offen spricht.

Greta Thunberg und ihr Vater Svante Thunberg bei einer Pressekonferenz auf der UN-Klimakonferenz in Kattowitz.
Foto: APA/AFP/JANEK SKARZYNSKI

An dem Ruhm der Klimaaktivistin änderte das nichts. So ziert die junge Frau die Titelseite der aktuellen Time-Ausgabe. Das Magazin kürte sie bereits 2018 zu einem der 25 einflussreichsten Teenager der Welt und 2019 zu einer der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten. Das aktuelle Magazincover sorgte nun erneut für Hass im Netz: "Greta als Messias inszeniert: Klimakult stoppen und Rückbesinnung auf Vernunft!", zündelte etwa der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard auf Twitter. Thunberg ist auf dem Titelbild in einem langen grünen Kleid in heroischer Pose dargestellt – sitzend, wie sie sich auch stets vor dem Reichstag platziert.

"Heldin der Erde"

In den sozialen Medien findet sich aber nicht nur Hohn und Spott für die 16-Jährige. In zahlreichen Postings und Tweets wird die junge Frau für ihr Engagement gelobt. Sie wird etwa als "Heldin der Erde" bezeichnet. Die Schwedin sei "eine Inspiration für uns alle", es sei "unfassbar, wie viel sie in so kurzer Zeit erreichen konnte". Der Greta-Kult zeigt sich auch auf den Fotos der wöchentlichen Klimaproteste rund um die Welt: Die Haare vieler Demonstranten sind zu zwei Zöpfen geflochten – eben wie die ihres Vorbildes.

Die Schülerin sagte hingegen wiederholt, dass die Aufmerksamkeit für sie ungewöhnlich sei. So schnell wird sich der Hype um die junge Frau wohl nicht legen. Thunberg hat beschlossen, weiterzuprotestieren, bis Schweden ausreichend Schritte setzt, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. "Ich denke, man muss praktizieren, was man predigt", sagte die Schwedin unlängst zu einer japanischen Tageszeitung. Der wöchentliche Schulstreik soll also weiter stattfinden, die Reisen durch Europa auch. Dabei reist aber nicht immer das abgegriffene Originalschild mit, mittlerweile gibt es zumindest ein Duplikat. (Nora Laufer, 24.5.2019)

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