Eros und Thanatos sind zentrale Motive im Werk Renate Bertlmanns. In Krems zeigt sie ein geflügeltes Herz vor der Installation "Urnenwand".

Foto: Kunstmeile Krems, Foto: Claudia Rohrauer

Blick in die Ausstellung "Franz Hauer. Selfmademan und Kunstsammler der Gegenwart". Sie ist eine von fünf Schauen.

Foto: Christian Redtenbacher

Egon Schieles "Selbstporträt mit Pfauenweste" (1911) ist zu sehen und wirft Fragen nach Selbstdarstellung auf.

Foto: Ernst Ploil, Wien

Das Architektenduo Marte Marte hatte erst nicht angenommen, dass sein Entwurf gebaut würde.

Foto: Faruk Pinjo

Der in sich gedrehte Baukörper von oben.

Foto: Faruk Pinjo

An Selbstvertrauen herrscht kein Mangel. Das erfährt überdeutlich, wer sich dieser Tage im niederösterreichischen Krems-Stein einfindet. Am Samstag eröffnet in der Wachau der um 35 Millionen Euro errichtete Museumsneubau Landesgalerie Niederösterreich: ein kühnes Gebäude, das sich im Weltkulturerbe hochaufragend mit schiefen Wänden und Aussichtsterrasse in die Landschaft einschreibt. So sehr, dass ihm der Vorarlberger Architekt Bernhard Marte ursprünglich wenig Chancen einräumte: "Wir haben gesagt, ja, wir haben ein wunderbares Projekt, aber das Land Niederösterreich wird sich niemals trauen, das zu bauen." Man hat sich dann doch getraut. Denn "im Konzert der Regionen in ganz Europa" wolle man eben "herausstechen", wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Erstbesichtigung am Donnerstag erklärte.

Foto: Faruk Pinjo

Nach einem Pre-Opening im März, wo die noch inhaltsleere Architektur beäugt werden konnte, präsentiert sich das Museum am Wochenende bei freiem Eintritt erstmals mit Kunst bestückt: Auf fünf Ebenen sind fünf Ausstellungen zu sehen, 500 Werke, herausgefischt aus der rund 100.000 Objekte umfassenden Kunstsammlung des Landes Niederösterreich sowie aus privaten und öffentlichen Leihgaben. Das neue Museum soll "die Welt von heute erklären, auch wenn Kunst vergangener Epochen gezeigt wird", sagt Direktor Christian Bauer, der mit der Landessammlung, die vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht, stets eine Beziehung zwischen Vergangenheit und Jetzt, der großen Welt und der Region schaffen will.

Kein elitärer Kunsttempel

Das Haus soll kein "elitärer Kunsttempel sein", erklärt Kurator Günther Oberhollenzer. Dafür, ließe sich anfügen, ist künftig die seit den 90er-Jahren in der Kremser Kunstmeile etablierte Kunsthalle zuständig, die unterirdisch mit dem neuen Haus verbunden ist. Sie soll sich um internationale Gegenwartskunst kümmern und auch schwer Vermittelbares nicht scheuen.

Für die Landesgalerie haben sich Oberhollenzer und Bauer als programmatische Leitlinie das Begriffstrio "Landschaft, Mensch, Sammeln" gewählt. Bei ihrem Eröffnungsreigen ist das schon einmal gut gelungen: von bieder-konservativ bis verstörend-provokant wird so ziemlich jeder Kunstgeschmack bedient, der bei hiesigem wie weit gereistem Museumsvolk Anklang findet.

Zwei Personalen zu Zeitgenossen lösen das Thema Mensch ein: Fotokünstler Heinz Cibulka, in den 60er-Jahren war er als Modell zentral für die körperbezogenen Materialaktionen der Wiener Aktionisten; und Renate Bertlmann. Im Erdgeschoss durfte sie, die heuer als erste Frau solo den Österreich-Pavillon bei der Biennale in Venedig bespielt, in Eigenregie eine Werkschau zusammenstellen. Wer sich von der feministisch-sprituell bewegten Künstlerin von den 70er-Jahren bis heute ein Bild machen will, ist an der Donau besser aufgehoben als in den Giardini in Venedig.

Urnen und Selbstdarstellung

Denn während Bertlmann in Venedig mit einer einzigen Großinstallation auf Effekt setzt, zeigt sie in Krems ihr volles Spektrum: Videos, Objekte und Tafelbilder erfüllt von den Motiven Eros und Thanatos, die einmal schwelgerisch-kitschig, dann konfrontativ-hässlich Wirkung entfalten. Zentral ist die Installation Urnenwand – ein Regal mit Urnengefäßen, in denen sich Erinnerungsstücke an Verstorbene befinden. Die Arbeit entstand 1978, in voller Größe konnte Bertlmann sie aber erst jetzt umsetzen.

Mit Landschaftsdarstellung im Wandel der Zeit beschäftigt sich die Schau Sehnsuchtsräume. Sie schließt Werke des Stimmungsimpressionismus mit klassischer Moderne und der Gegenwart kurz: Wachaumaler treffen auf Egon Schiele und aktuelle Kunst, in der Landschaft häufig mit Grenz- und Flucht-Thematik aufgeladen ist.

Selbstdarstellung und Sammler

Viel Schiele trifft man auch in der publikumswirksamen Ausstellung Ich bin alles zugleich wieder. Diese versucht, mit großen Namen (Boeckl, Gerstl, Helnwein, Kokoschka, Lassnig, Meese, Nauman, Nitsch, Wurm) im Zeitalter des Selfies eine Geschichte der Selbstdarstellung in der Kunst zu vermitteln; konkrete Einlassungen zum allerorts grassierenden Narzissmus – die sich in einer breit angelegten auch alltagskulturellen Themenschau angeboten hätten – lässt sie aber vermissen.

Das Motiv Sammeln bedient schließlich eine Schau zu Franz Hauer. In ärmlichen Verhältnissen in Weißenkirchen in der Wachau geboren, wurde er zu einem der wichtigsten Kunstsammler um 1900: Besser lässt sich der Spagat zwischen lokalem und überregionalem Anspruch kaum bewältigen. (Stefan Weiss, 24.5.2019)