Nicht einschlafen können, nicht durchschlafen, zu früh aufwachen: Alle Spielarten sind möglich, weil Schlaf auch von Hormonen gesteuert sind, die sich in der Menopause verändern.

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Die Lebensmitte kann für Männer und Frauen eine Herausforderung sein: Die Eltern werden gebrechlich, die Kinder ziehen aus, die eigene Jugend schwindet. Frauen müssen zudem mit einer tiefgreifenden biologischen Umstellung fertig werden: Nach und nach stellt der Körper die Produktion der Geschlechtshormone ein und sie verlieren ihre Fruchtbarkeit. Doch die Botenstoffe steuern nicht nur Menstruationszyklus und Schwangerschaft, sie beeinflussen auch das Gehirn auf vielfältige Weise, so dass ihr Versiegen zu unangenehmen Begleiterscheinungen führen kann.

"Heute weiß man, dass Geschlechtshormone auf Neurotransmitter im Gehirn wirken und auf diese Weise Stimmung, Sexualität und auch den Schlaf beeinflussen", erklärt die Psychiaterin Stephanie Krüger vom Zentrum für seelische Frauengesundheit am Humboldt-Klinikum in Berlin. Nimmt die Konzentration der zwei wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone, Progesteron und Östrogen, ab, schlafen viele Frauen schlechter. Sie finden schwerer in den Schlaf, wachen häufiger auf, oder die Nacht endet bereits um vier Uhr früh. Das spiegelt sich auch im Schlafmittelgebrauch von Frauen wieder, der laut Krüger mit zunehmendem Alter zunimmt und höher ist als der von Männern.

Starke Schwankungen

Wie viele Frauen im mittleren Lebensalter an Schlafstörungen leiden, variiert je nach Studie zwischen 30 und 50 Prozent. "Wie stark und wie lange die Frauen unter den Schlafstörungen leiden, ist individuell sehr verschieden. Bei manchen sind es wenige Nächte im Monat, andere plagen sich jede Nacht. Das hat dann beträchtliche Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität" erklärt Kerstin Blickenstorfer vom Universitätsklinikum Zürich und Mitglied des Vorstands der Schweizerischen Menopausengesellschaft.

Zu Beginn der Wechseljahre fällt zunächst der Progesteronspiegel ab, im weiteren Verlauf sinkt auch die Östrogenproduktion. Hervorstechendes Symptom sind dann Hitzewallungen, die auch nachts auftreten können. Da Östrogen sich auch auf das Temperaturregulationszentrum im Gehirn auswirkt, kann es zu einer Deregulierung kommen: "Die so genannte thermoneutrale Zone wird kleiner", erklärt Blickenstorfer. Wird es unter der Bettdecke kuschlig warm, denkt der Körper er hat eine zu hohe Körpertemperatur und stellt auf Kühlung: Die Frau wacht schweißgebadet auf. "Manche Frauen müssen den Schlafanzug nachts wechseln, duschen und das Bett neu beziehen. Wer das drei bis vier Mal pro Nacht durchmacht, ist morgens gerädert", so Blickenstorfer.

Große Veränderungen

Das Versiegen der Geschlechtshormone wirkt sich auch auf die sogenannte Stressachse aus, so dass auch das Gleichgewicht der Stresshormone ins Trudeln kommt. "Die Frauen liegen dann mit starkem Herzklopfen und schnellem Puls im Bett, was den Schlaf ebenfalls erschwert", so Krüger.

Neben der offensichtlichen Ursache, der Hormonumstellung, spielen aber noch andere Faktoren eine Rolle. "Rund 20 Prozent der Frauen erkranken in der Lebensphase an einer Depression oder einer Angststörungen. Und deren Kernsymptom ist ein schlechter Schlaf", sagt Krüger. Zwar würden auch diese affektiven Störungen durch Hormone beeinflusst, allerdings sei es zu einfach, alles auf die Hormone zu schieben. "Manche Frauen rutschen in dieser Zeit in eine Lebenskrise: Sie haben Schwierigkeiten mit dem älter werden oder es kriselt in der Partnerschaft. Da muss man genau hinsehen und entsprechend therapieren, etwa mit Psychotherapie, gegebenenfalls auch mit Antidepressiva."

Hormone ersetzen oder nicht

Generell sollten die allgemeinen Tipps für einen guten Schlaf beherzigt werden: Keinen Alkohol und keinen Kaffee am Abend, feste Schlafenszeiten und kühle Raumluft etwa. Hilft das nicht, kann bei hormonell bedingten Schlafstörungen eine Hormonersatztherapie (HT) für Linderung sorgen: Zu Beginn der Wechseljahre verhilft die orale Einnahme von reinem Progesteron vielen Frauen zu einem besseren Schlaf. "Wenn die Patientin ernsthaft beeinträchtigt ist und ihr Risikoprofil es zulässt – für Brutkrebspatientinnen kommt eine Hormontherapie etwa nicht in Frage –kann man mit Östrogen beziehungsweise bei vorhandenem Uterus mit Östrogen und Progesteron substituieren", so Blickenstorfer.

Eine HT senkt die Frequenz von Hitzewallungen um etwa 75 Prozent und auch der Schweregrad wird reduziert. 2002 war die HT nach den Ergebnissen der WHI (Womans Health Initiative) -Studie in die Kritik geraten, weil sie das Risiko für Brustkrebs und Thrombosen steigere. "Es wurden Frauen untersucht, die schon älter und gesundheitlich vorbelastet waren. Zudem kamen damals Hormone zum Einsatz, die aus Stutenurin gewonnen wurden", erklärt Blickenstorfer. Heute verwendet man sogenannte bioidentische Hormone, also exakte Kopien der menschlichen Originale. Sie können auch transdermal, also als Gel über die Haut gegeben werden, was gut verträglich ist.

"Manche Frauen fragen sich, ob sie den natürlichen Umstellungsprozess nur nach hinten verschieben, wenn sie dem Körper künstlich Hormone zuführen", so Krüger, "Aber es finden trotz der Substitution Anpassungen im Gehirn und in der Folge auch im restlichen Körper statt, so dass die Frauen insgesamt leichter durch diese Phase kommen." (Juliette Irmer, 25.5.2019)