Alle fordern jetzt "staatspolitische Verantwortung". Der Bundespräsident, der Bundeskanzler, die "Krone", die Bischofskonferenz, die Frau Waberl.

Ist ja in Ordnung. Aber wie wär's, wenn auch der Hauptakteur, Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz, allmählich selbst etwas staatspolitische Verantwortung zeigte?

Es ist seine Verantwortung, dass er die dafür völlig ungeeignete FPÖ in eine Regierung genommen hat. Es ist seine Verantwortung, dass er seit dem Ausbruch der Krise mehr Wahlkampf betreibt als alles andere. Es ist seine Verantwortung, sich um eine parlamentarische Mehrheit zu kümmern. Es ist seine Verantwortung, für ein tragfähiges Verhältnis zur Opposition zu sorgen.

Gut, er hat das erkannt und bot am Donnerstagnachmittag der Opposition ein Paket an. Zusammenfassung: Ich will bis zur Wahl meine Macht nicht missbrauchen.

Nett, aber die wahre staatspolitische Verantwortung ist eine andere: Kurz muss ein anderes Verhältnis zur nichtrechten Hälfte des Landes finden (zu der sogar viele bürgerliche Menschen gehören). Bisher hat er sie mit einem Ton des Abschasselns und der Verachtung behandelt. Vom "NGO-Wahnsinn" über die "Durchschummler" im Sozialstaat bis zum Sager, viele setzten sich ja nur "aus schlechtem Gewissen" für Flüchtlinge ein.

So etwas zu unterlassen gehört zur staatspolitischen Verantwortung eines Kanzlers. (Hans Rauscher, 23.5.2019)