Wien – "Sex" steht groß auf einem Plakat. Und weiter: "Now that I get your attention let's talk about climate change". Genau darin liegt Freitagfrüh für viele der Antrieb, sich auf dem Wiener Heldenplatz einzufinden: Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu lenken. "Es kommt mir vor, als gäbe es derzeit andere Prioritäten", sagt Laurenz.
Das Plakat des 19-Jährigen mit dem dunklen Wuschelkopf nimmt denn auch Bezug zum Thema Nummer eins in Österreich: "Schnee auf Ibiza? Klimaerwärmung ist ein Gschichtl", steht darauf. Dem Maturanten ist aber wichtig, dass "das Thema Klimawandel nicht untergeht".
Zum zweiten Mal rief die Fridays-For-Future-Bewegung am 24. Mai zum weltweiten Klimastreik auf. Allein in Österreich standen dazu Veranstaltungen in Graz, Linz, Salzburg, Klagenfurt, Bregenz, Eisenstadt, Gmunden, Ried im Innkreis sowie Baden auf dem Programm. Jeweils einige Hundert bis ein paar Tausend Teilnehmer wurden dort jeweils gezählt. Insgesamt schätzen die Veranstalter die Zahl der Teilnehmer österreichweit auf 25.000.
An mehr als 1600 Orten
Weltweit waren Kundgebungen an mehr als 1600 Orten in rund 120 Ländern geplant. Besonders viele Aktionen fanden in Deutschland, Italien, Großbritannien, Frankreich, den USA und Schweden – der Heimat der Klimaschützerin Greta Thunberg – statt. Aber auch in Neuseeland und Australien wurde gestreikt.
Der Demozug in Wien startete auf dem Heldenplatz mit einer Kundgebung, Gesang und lauten Rufen nach "Climate Justice!", und zwar "Now!". Die Wiener Polizei zählte zum Versammlungshöhepunkt rund 5000 Teilnehmer, die Veranstalter schätzten die Anzahl der Menschen auf mehr als 7000.
Mitte März waren es in Wien mehr als 10.000 Teilnehmer gewesen, weltweit etwa 1,9 Millionen. "Dass es nun weniger waren, stört uns nicht. Das war damals wohl auch die Magie des Anfangs", zeigt sich Johannes Stangl von Fridays for Future Wien zufrieden.
Um 9.30 Uhr setzt sich der Zug über die Ringstraße Richtung Haus der Europäischen Union in der Wipplingerstraße in Bewegung, um später über das Wiener Rathaus wieder zurück zum Startpunkt zu marschieren.
"Klima ist wie Bier"
Eine 15-jährige Schülerin, die anonym bleiben möchte, wäre nicht hier, ginge es nach ihrer Schulleitung: "Ich bin offiziell krankgeschrieben. Uns wurde verboten, zum Klimastreik zu gehen. Das ist eine Frechheit." Vier Jugendliche gleichen Alters haben sich ebenfalls kreativ Entschuldigungen organisiert. Schüler Gabriel meint, man müsse jetzt aktiv sein: "Weil politisch gerade so viel Chaos ist, kann man derzeit gut Themen setzen." Das Plakat seines Freundes Paul besagt: "Klima ist wie Bier. Warm ist es scheiße".
Die Demo-Veranstalter verteilten so knapp vor der EU-Wahl auch "Wahlkarten für deine Zukunft". Sie richteten sich damit vor allem an noch nicht wahlberechtigte Schüler, die darauf zum Beispiel "weniger Plastik", "erneuerbare Energien" und die "Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels" fordern können. Die Urne mit den ausgefüllten Zetteln wurde Freitagnachmittag an Vertreter des EU-Parlaments überreicht.
Resolution für Klimanotstand
Außerdem übergaben die Protest-Organisatoren eine Resolution an Vertreter der SPÖ und der Grünen Wien, in der gefordert wird, der Landtag möge den Klimanotstand ausrufen. Damit würde der Eindämmung der Klimakrise höchste Priorität eingeräumt.
Zumindest auf dem Wiener Heldenplatz steht das Klima in diesen Tagen – trotz der innenpolitischen Turbulenzen – mehrmals auf der Agenda: So findet kommenden Dienstag in der Hofburg der "R20 Austrian World Summit" statt, zu dem unter anderem Greta Thunberg und Arnold Schwarzenegger erwartet werden.
Weitere Prominente, Politiker und Experten werden mit rund 1200 Besuchern aus 30 Nationen über das Thema Klimafinanzierung debattieren. Vor der Hofburg ergänzt ein sogenannter Klimakirtag mit Conchita, Pizzera & Jaus und Hubert von Goisern das Programm. Am Freitag kommender Woche soll Thunberg auch am Fridays-for-Future-Marsch in Wien teilnehmen. (Gudrun Springer, 24.5.2019)