Am Montag soll über Sebastian Kurz' Schicksal als Kanzler abgestimmt werden.

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Womöglich ist es Wahlkampfkalkül, dass sich die Parteien bedeckt halten. Ob ihr Parlamentsklub dem Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kommenden Montag zustimmen wird, sorgte vergangenen Dienstag sogar innerhalb der FPÖ für Verwirrung. Erst sagte Ex-Innenminister Herbert Kickl, Kurz "habe das Misstrauen der FPÖ", was allenthalben als Zustimmung zum Antrag interpretiert wurde. Rasch bemühte sich ein Parteisprecher um Relativierung: Kickls Aussage bedeute nicht, "dass das Abstimmungsverhalten am Montag definitiv entschieden ist".

Die SPÖ will ebenfalls erst in der Klubsitzung am Montagmorgen über ihren Weg entscheiden. Die Jungsozialisten forderten ein deutliches Bekenntnis gegen Kurz. Kärntens roter Landeshauptmann Peter Kaiser sagte am Freitag nach einem gemeinsamen Treffen seiner Amtskollegen Michael Ludwig und Hans Peter Doskozil mit dem Kanzler etwas kryptisch, "dass noch einiges, sehr Überraschendes passieren müsste, damit Kurz das Vertrauen der SPÖ gewinne".

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat sich als eine der wenigen Parteiobleute zwar soweit ausgesprochen, "den Misstrauensantrag nicht mittragen zu wollen". Umgekehrt hat sie aber auch keine Ablehnung deklariert, was eine Enthaltung – also ein geschlossenes Verlassen des Plenarsaals – nicht ausnimmt.

Als gefestigt haben wir für die folgenden Grafiken also nur zwei Abstimmungsverhalten angenommen: Die Kanzlerpartei ÖVP wird fix gegen und die Antragsteller der Liste Jetzt fix für den Misstrauensantrag stimmen. Bei allen angeführten Kombinationen wurde von bestehendem Klubzwang und der Teilnahme aller Abgeordneten an der Abstimmung ausgegangen.


Szenario eins: Nur die ÖVP stimmt gegen den Antrag

Insgesamt acht Kombinationen aus Stimmen der Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ, Neos, Jetzt und den (der Einfachheit halber zusammengefassten) beiden wilden Abgeordneten Martha Bißmann (Ex-Jetzt) und Efgani Dönmez (Ex-ÖVP) wären möglich, um die 61 Mandate der ÖVP zu übertreffen und Kurz zu stürzen. Bei vier dieser Kombinationen würde auch eine Enthaltung von entweder SPÖ oder FPÖ noch genügen, um die Kanzlerschaft zu beenden.

Den kleinsten Überhang von 65 zu 61 Stimmen hätte ein gemeinsames Pro-Votum aus FPÖ und Neos, falls sich SPÖ und die klublosen Abgeordneten (OK) enthalten.


Szenario zwei: Die ÖVP und die wilden Abgeordneten stimmen gegen den Antrag

Schließen sich Dönmez und Bißmann der ÖVP an und erhöhen die Gegenstimmen auf 63, dann halbieren sich die möglichen Kombinationen zum Kurz-Sturz bereits auf vier. Es wäre aber noch immer möglich, den Antrag durchzubringen, auch wenn sich entweder SPÖ oder FPÖ enthalten.


Szenario drei: Die ÖVP und die Neos stimmen gegen den Antrag

Wenn sich die Neos hinter den Kanzler stellen und den ÖVP-Antrag mittragen, müssten die Gegner 71 Mandate übertreffen. Das wäre nur durch gemeinsame Zustimmung von SPÖ und FPÖ möglich.

Eine Variante dieses Szenarios wäre ein Lagerwechsel der beiden wilden Abgeordneten zu ÖVP und Neos und eine Summierung deren Stimmen auf 73. Auf das Gesamtergebnis hätte dieser Fall aber keine Auswirkung; für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wären weiterhin sowohl die Stimmen von FPÖ als auch von SPÖ notwendig.


Szenario vier: Neben der ÖVP stimmt auch die SPÖ oder die FPÖ gegen den Antrag

Sobald entweder die SPÖ oder die FPÖ dem Kanzler das Vertrauen ausspricht, ist der Antrag mit absoluter Parlamentsmehrheit abgelehnt und das Stimmverhalten aller anderen Parteien bedeutungslos. Kurz bliebe Kanzler. (Michael Matzenberger, 25.5.2019)