Barbara Schett über das österreichische Damen-Tennis: "Wir waren lange Zeit verwöhnt, jetzt sieht es trist aus."

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Ab und zu schwingt Schett noch immer das Racket: 2017 bei einem Einladungsturnier in Wimbledon.

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Die Tennisspielerin erhielt 2005 von Bundespräsident Heinz Fischer das Silberne Ehrenzeichen der Republik.

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Die kommenden zwei Wochen werden für die Tirolerin Barbara Schett arbeitsintensiv. Gemeinsam mit der schwedischen Tennis-Ikone Mats Wilander moderiert sie die Sendung Game, Schett and Mats für den TV-Sender Eurosport.

STANDARD: Sie haben 2001 das Achtelfinale der French Open erreicht. Können Sie sich noch an das Preisgeld erinnern?

Schett: Vermutlich war es zu wenig. 40.000 Dollar?

STANDARD: Um genau zu sein, waren es 35.251 Dollar. Wissen Sie, was man 2019 für ein Achtelfinale kassiert?

Schett: Das Dreifache? Also rund 100.000 Dollar?

STANDARD: Es sind 270.000 Dollar. Wann wurde im Tennis das Geld abgeschafft?

Schett: Offensichtlich nachdem ich aufgehört habe. Vielleicht sollte ich wieder anfangen? Das Geld hätte ich gerne. Dabei habe ich mich damals schon wie eine Königin gefühlt.

STANDARD: Wie beurteilen Sie diese Explosion der Preisgelder?

Schett: Mich freut es für die Spielerinnen. Der Weg an die Weltspitze erfordert harte Arbeit. Niemand bekommt diese Prämien geschenkt. Und wenn die Grand-Slam-Turniere schon so viel umsetzen, ist es gut, dass das Geld an die Profis ausgeschüttet wird.

STANDARD: Roger Federer hat zuletzt in Rom die überzogenen Ticketpreise kritisiert. Auch Paris gibt es nicht zum Sondertarif. Verkommt der Tennissport zum elitären Vergnügen?

Schett: Bei den großen Turnieren sind die Tickets für den Center-Court sehr teuer. Aber für die Philharmoniker muss man auch mehr bezahlen als für eine Blasmusikkapelle. Wenn sich jemand Roland Garros ansehen möchte, rate ich zur ersten Turnierwoche. Da bekommt man auf den Außenplätzen zu vernünftigen Preisen tolle Matches zu sehen.

STANDARD: Sie haben Venus Williams 2001 auf einem der großen Courts bezwungen und damit für die Sensation des Turniers gesorgt.

Schett: Ich kam damals ohne Erwartungen nach Paris, hatte zuvor schrecklich gespielt. Wenn man dann zum Auftakt Venus Williams vorgesetzt bekommt, sitzt man auf gepackten Koffern. Ich hatte nichts zu verlieren, das Stadion hat getobt.

STANDARD: Ein Jahr zuvor haben Sie im Achtelfinale gegen Arantxa Sanchez Vicario 6:0, 4:1 geführt – und dennoch verloren. Wie konnte das passieren?

Schett: Bitte erinnern Sie mich nicht daran. Das hat wehgetan. Ich war gut drauf, hatte das Match im Griff. Aber irgendwann begann ich, mit meinem Coach zu diskutieren. Dann habe ich die Nerven weggeschmissen. Die unnötigste Niederlage meiner Karriere.

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STANDARD: Es war damals nicht unüblich, dass Österreicherinnen in Paris Erfolge feierten. Es gab Barbara Paulus, Barbara Schwartz, Sylvia Plischke. Mittlerweile ist Österreich bei den Damen nicht einmal in der Qualifikation vertreten. Was läuft falsch?

Schett: Wir waren lange Zeit verwöhnt, jetzt sieht es trist aus. Ich sehe nicht mehr die Bereitschaft der Mädels, sich zu quälen. Wir waren als Jugendliche ständig auf dem Tennisplatz. Ich wollte die Beste sein, es war ein harter Konkurrenzkampf, eine Gruppendynamik. Und wir wurden sicher nicht verhätschelt. Wenn ich mein Wasser vergessen habe, durfte ich keines mehr holen.

STANDARD: Aber das kann es doch auch nicht sein.

Schett: Ich sage nicht, dass das der einzige Weg ist. Aber heute wollen die Eltern überall mitreden. Die Kinder halten dem Druck oft nicht stand. Viele hören auf. Wegen der Eltern, wegen der Finanzen, weil sie sich alles einfacher vorgestellt haben. Aber es ist nicht einfach. Es ist ein harter Weg.

STANDARD: Dominic Thiem hat den Weg bereits hinter sich, er hat sich etabliert. War die Trennung von seinem Trainer Günter Bresnik trotzdem der richtige Schritt?

Schett: Die Abnabelung war kein Fehler. Das soll nichts gegen Günter sein. Er hat großartige Arbeit geleistet. Irgendwann braucht es aber frisches Blut. Ich spreche aus Erfahrung. Ein neuer Impuls ist wichtig, bringt neue Motivation.

STANDARD: Was trauen Sie ihm noch zu?

Schett: Alles. Er kann den nächsten Schritt machen. Er kann Nummer eins werden, er kann Paris gewinnen. Zwei-, dreimal. Spätestens wenn Nadal und Co aufhören. Wir werden ihn als Sieger eines Grand-Slam-Turniers erleben. Davon bin ich überzeugt.

STANDARD: Schon in zwei Wochen?

Schett: Nadal, Thiem oder Djokovic – einer der drei wird es machen. Der Oberfavorit bleibt Nadal. Seine Niederlagen sollten uns nicht täuschen. Wenn er in Paris den Fuß auf die Anlage setzt, legt er automatisch einen Gang zu.

Standard: Was ist mit den Youngsters? Was ist mit Stefanos Tsitsipas?

Schett: Ich sehe ihn im Gegensatz zu Thiem noch nicht als Grand-Slam-Champion. Für ein Major braucht es Erfahrung, Konstanz und Ausdauer. Dominic hat im vergangenen Jahr das Finale gespielt, er kennt die Abläufe – das ist sicher kein Nachteil.

STANDARD: Federer spielt zum ersten Mal seit 2015 in Paris. Warum tut er sich das an? Muss man ihn auf der Rechnung haben?

Schett: Vielleicht ist es eine geplante Abschiedsvorstellung. Er spielt nach wie vor ein großartiges Tennis. Ich denke aber nicht, dass er viel reißen wird oder gar den Titel holen kann. Gegen die drei an der Spitze wird es auf Sand nicht mehr reichen.

STANDARD: Bei den Damen ist der Favoritenkreis breiter.

Schett: Wir könnten zehn Namen aufzählen, und dann gewinnt eine andere. Zu meiner Zeit gab es große Persönlichkeiten: Graf, Hingis, die Williams-Schwestern. Aber dahinter waren viele, gegen die man kaum verlieren konnte. Das spielt es heute nicht mehr.

STANDARD: Serena Williams ist noch immer dabei. Ihr fehlt ein Grand-Slam-Titel, um mit der Australierin Margaret Court gleichzuziehen. Kann sie diesen 24. Pokal gewinnen?

Schett: Ich wünsche es mir. Court hat sich mit homophoben Äußerungen diskreditiert. Serena sollte als erfolgreichste Spielerin in die Geschichte eingehen.

STANDARD: Sie fiel im Vorjahr durch einen Catsuit auf. Die Turnierleitung dachte daraufhin einen Dresscode an. Braucht es 2019 noch Kleidervorschriften?

Schett: Auf dem Tennisplatz gefällt mir eine Frau im Kleid oder mit einem Rock am besten. Die Röcke werden immer kürzer. Ich brauche keine Fleischbeschau, da bin ich etwas konservativ. (Philip Bauer, 25.5.2019)