Ihre jüngste Videoarbeit hat Dorit Magreiter im Lachkabinett Calypso im Wiener Prater gedreht: Die Glasboxen mit ihren rot-gelben Holzrahmen werden als Streifenmuster gezeigt

Foto: Magreiter

Wer ein Spiegelkabinett betritt, sagt Hallo zu seinem verzerrten Abbild. Einen solchen Irrgarten der Lachfiguren bietet auch das Calypso im Wiener Prater, wo die Künstlerin Dorit Magreiter ihre jüngste Videoarbeit Mirror Maze gedreht hat. Dieser Film bildet das Zentrum von Margreiters labyrinthisch angelegter Einzelschau Really! im Mumok.

Wie Zahnräder greifen in dieser ersten Wiener Werkschau der 51-jährigen Akademie-Professorin ältere und neue Arbeiten ineinander. Bereits Margreiters Videoarbeiten von 2001 kreisen um ihre künstlerischen Kernfragen, die da wären: Wie übt Architektur Macht auf unsere Wahrnehmung aus? Welchen Einfluss haben mediale Bilder auf Identität und Begehren? Und was wurde aus den Freiheitsversprechen der Moderne?

Glas fotografieren

Um diese komplexen Sachverhalte zu thematisieren, greift die Künstlerin zu immer abstrakteren Formen. So zeigt das Video Mirror Maze die Glasboxen des Lachkabinetts mit ihren rot-gelben Holzrahmen zunächst nur als Streifenmuster. Erst als Frauen auftauchen, tritt der räumliche Kontext zutage. Aber auch ihre Gesichter sind nur durch Glasscheiben gefilterte Spiegelbilder.

Apropos: Wie lässt sich Glas überhaupt fotografieren? Diese Frage beschäftigte die Künstlerin bei einer Reise ins Silicon Valley. Aufnahmen verschwommener Formen zeugen von ihrem Versuch, die transparenten Flächen der Firmengebäude von Google und Co darzustellen. "Ich wollte etwas Physisches von diesen Orten einfangen, die digital in meinem Leben eine solche Präsenz haben", erklärte Margreiter dazu.

Große Themen

Anhand von Oberflächen große Themen anzuschneiden gelingt besser mit der Fotoserie zu einer Bauikone von Frank Lloyd Wright. Der Architekt errichtete 1923 in Los Angeles das Ennis House, dessen Fassade Ornamente von Maya-Tempeln zierten. Im Sci-Fi-Streifen Blade Runner diente da Haus als Filmkulisse, später brachte es ein Erdbeben zu Fall.

Margreiter fasziniert am Ennis House das Verschwimmen historischer Epochen von präkolumbianisch bis futuristisch. Die Wandreliefs an der Ruine, die sie 2006 mit der Kamera festhielt, erinnern an Art-déco-Muster. Zwei der abgebröckelten Steine packte Margreiter damals ein und stellt sie als Readymades aus.

Hohe Sensibilität

Eine jüngere Architekturrecherche führte die Künstlerin nach Las Vegas, wo sie das Neon-Museum besuchte. Im Video Boulevard streift der Blick über ausrangierte Leuchttafeln, die einst an Kasinos und Hotels des Las Vegas Strip leuchteten. Die bunten Reklamen sehen auch kaputt noch gut aus. Die Videoarbeit nimmt Bezug auf das architekturtheoretische Buch Learning from Las Vegas, das 1972 die Postmoderne einläutete, sowie auf Margreiters eigenes Interesse an Typografie.

Margreiters vollgepacktes Ausstellungslabyrinth beweist ihre hohe bildhauerische Sensibilität, die jedoch nie beim Materiellen verharrt. Vielmehr führt sie von Glas, Sand und Stein stets zu Zeichenhaftem oder Medialem, und wieder zurück. Die kaleidoskopische Auffächerung von fast zwei Jahrzehnten Arbeit ist der Künstlerin bestens gelungen. Bis 6. 10. (Nicole Scheyerer, 24.5.2019)