Gedanken und Emotionen, die sich in Gesichtern speichern. Im Bild: Simone de Beauvoir

Foto: Schwarz-Weismann

Eine Sekunde in einem Interview. Mehr als ein oder zwei Worte fallen in dieser Zeit nicht. Und doch verändert sich der Ausdruck des Sprechenden mitunter radikal. In Michaela Schwarz-Weismanns Porträtserien (zu sehen in der Wiener Galerie Ruberl), ist der Gemütszustand der drei Protagonistinnen manchmal kaum wiedererkennbar. In der einen Zehntelsekunde sieht Simone de Beauvoir teilnahmslos aus, in der nächsten verbittert.

Genauso verhält es sich mit Hannah Arendt und Angela Davis. Den beiden Philosophinnen und der US-amerikanischen Bürgerrechtlerin hat Schwarz-Weismann ihre Schau Second Thoughts gewidmet. Aus drei im Jahre 1973 gedrehten Interviews hat die Wiener Künstlerin je eine Videosekunde genommen, sie auf 24 Frames aufgesplittet und in Öl festgehalten. Wobei die Worte, die in der einen Sekunde fallen, in ihrer Austauschbarkeit höchst bedeutsam sind.

Spiel mit Ähnlichkeit und Differenz

"Constantly" ist etwa das Wort, das Davis artikuliert. Damit spielt Schwarz-Weismann auf die unverminderte Aktualität der Anliegen der Bürgerrechtsbewegung an. Oder der Ausdruck "très souple", den de Beauvoir fallenlässt: "Sehr flexibel" war de Beauvoir nicht nur in ihrem Denken, sondern – oft zu ihrem Nachteil – auch in ihrer unorthodoxen Beziehung zu Jean-Paul Sartre.

Mit dieser diskursiven Ebene geht ein Spiel mit Ähnlichkeit und Differenz einher – und eine Reflexion des malerischen Handwerks. Keines der Bilder wurde Filmstill-getreu übertragen, jede Serie entwickelte ein Eigenleben. Am Ende fügte die Künstlerin die 24 Ölbilder wieder zu einem Film zusammen. Ein neuer Rhythmus entsteht. Sehenswert! (Stephan Hilpold, 24.5.2019)