Der Bürglkopf im Bezirk Kitzbühel. Hier oben auf 1250 Meter Seehöhe, sieben Kilometer Forststraße vom nächsten Ort entfernt, betreibt das Innenministerium eine "Rückkehrberatungs-Einrichtung".

Foto: Steffen Arora

Fieberbrunn – "Schau, schau, schau!" Der sechsjährige Ahmadi springt vergnügt von einem Bein aufs andere und versucht, Aufmerksamkeit zu erheischen. Doch um ihn herum sind nur Erwachsene, denen ganz und gar nicht zum Lachen ist. Es ist Freitagvormittag auf dem Bürglkopf in Fieberbrunn. Seit Oktober 2017 betreibt das Innenministerium (BMI) hier eine sogenannte Rückkehrberatungs-Einrichtung. Was nach Service klingt, wird von den rund 40 hier internierten Menschen als Zermürbungstaktik empfunden, wie sie erzählen.

Unangekündigter Besuch

Alarmiert von der NGO Asyl in Not, die von besorgniserregenden Zuständen berichtete, organisierte der Innsbrucker Gemeinderat Mesut Onay (Ali) den unangekündigten Besuch einer Politikerdelegation. Die Landtagsabgeordneten Elisabeth Fleischanderl (SPÖ) und Georg Kaltschmid (Grüne) sowie weitere Lokalpolitiker aus der Gegend wollen sich ein Bild von der Lage machen. Sie haben den STANDARD eingeladen, sie zu begleiten. Trotz des überraschenden Auftauchens darf die Delegation die Anlage besichtigen und mit den Bewohnern sprechen.

Die geben bereitwillig Auskunft und schildern ihren tristen Alltag. Viele nehmen Medikamente und haben mit psychischen Problemen zu kämpfen, wie auch Videoaufnahmen belegen. Die Menschen fühlen sich isoliert, haben keinerlei Perspektive. Der Forstweg, der in den Ort hinunterführt, ist sieben Kilometer lang, zu Fuß dauert das zwei Stunden. Die begrenzten Plätze im Shuttle-Kleinbus, der täglich verkehrt, sind dementsprechend begehrt.

Zwei Rückkehrzentren in Österreich

Asylwerber, deren Anträge negativ beschieden wurden und die, wie es das BMI ausdrückt, "unschlüssig über eine freiwillige Rückkehr sind", werden hier abgeschieden auf 1250 Metern Seehöhe so lange zwangsuntergebracht, bis sie von sich aus das Land verlassen. Ein zweites derartiges Zentrum befindet sich in Schwechat bei Wien. Wer zuvor im Osten Österreichs gelebt hat, wird nach Tirol verbracht und umgekehrt.

So auch Ahmadis Familie, die vier Jahre lang in Wartberg an der Krems gewohnt hat. Er, seine elfjährige Schwester, die gerade in der Schule ist, und die Eltern sind staatenlose Jesiden. Vom Bürgermeister abwärts hatte die Gemeinde versucht, die gut integrierte Familie vor der Abschiebung zu bewahren. Doch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl blieb hart.

Gemeinde kämpfte gegen Abschiebung

Am 21. März dieses Jahres wurden die vier abgeholt. Seitdem leben sie auf dem Bürglkopf in einem kleinen Zimmer. Man will sie zur "freiwilligen Ausreise" überreden, erzählt der Vater: "Aber wohin sollen wir denn?" Laut eigenen Angaben stammt die Familie aus Syrien. Doch die Behörde glaubt das nicht und behauptet, es seien Armenier. Die Situation ist völlig verfahren, der Vater am Verzweifeln: "Wir werde noch verrückt hier oben. Das ist doch keine Umgebung für Kinder."

Auch die Betreuer räumen ein, dass der Ort bedrückend ist. Einer der Zivildiener des BMI hat den kleinen Ahmadi zum Mittelpunkt seines Engagements gemacht. Er tut alles, um dem Buben den tristen Alltag erträglich zu gestalten. Wie schwer das ist, zeigt sich rund um das Wohnhaus, wo immer noch Schneemassen liegen, die auch den Fußballplatz schwer in Mitleidenschaft gezogen haben. Während des Besuchs donnern am Hang hinterm Haus mit dumpfem Grollen Lawinen herunter.

Quälende Ungewissheit

Es sei die Ungewissheit, die ihnen zusetze, berichten die Bewohner. "Wir wissen nicht, was mit uns passieren wird", beklagt ein junger Iraker. Er könne nicht zurück in seine Heimat, wo immer noch Bürgerkrieg herrsche. Auch eine afghanische Familie, die nicht freiwillig gehen will, ist auf dem Bürglkopf. Das Warten und der Druck führen zu Spannungen. Streit stehe an der Tagesordnung. Vor allem für die Kinder einer belastende Situation, sagen die Eltern.

Die Politikerdelegation hat sich durch zwei Stunden Gespräche ein Bild gemacht. "Diese Rückkehr-Einrichtung macht in der Form keinen Sinn", sagt Landtagsabgeordnete Fleischanderl. Gemeinderat Onay fordert eine sofortige Schließung und eine bessere medizinische Versorgung der psychisch teils schwer angeschlagenen Menschen. (Steffen Arora, 25.5.2019)