Eine klar strukturierte, intelligent formulierte Rede, vorgetragen mit Überzeugung und Emotion – Theresa Mays Rücktrittserklärung enthielt alle Elemente guter politischer Kommunikation. Leider hat die britische Premierministerin in ihrer knapp dreijährigen Amtszeit diese elementare Tugend einer Politikerin im 21. Jahrhundert vermissen lassen.

Zu Recht betonte die Konservative am Freitag: Für den anstehenden Brexit müssen beide Seiten Kompromisse machen. Dass sie sich für diese Binsenweisheit ausgerechnet des legendären Nicholas Winton bediente, stieß manchem sauer auf. Der Geschäftsmann hatte 1938/39 jene Kindertransporte mitorganisiert, die mehr als 10.000 jüdische Kinder vor der Mordmaschinerie der Nazis retteten. May hingegen stand als Innenministerin für die härteste Haltung gegenüber (Kinder-)Flüchtlingen.

Ähnlich präsentierte sich May auch viel zu lang beim Brexit. Weil sie in ihrer EU-feindlichen Partei den vermeintlichen Makel wiedergutmachen wollte, beim Referendum für den Verbleib gestimmt zu haben, machte sie sich die härteste aller harten Linien zu eigen. Gesprächen mit der Opposition wich sie aus. Mit der desaströsen Neuwahl vor zwei Jahren wollte sie Labour kaputtmachen und durchregieren. Selbst nach dem demütigenden Verlust der Mehrheit ging sie nicht auf jene 48 Prozent zu, die wie sie selbst die EU-Mitgliedschaft für wertvoll gehalten hatten.

Erst nach den historischen Niederlagen im Parlament besann sich May auf jene Kompromissbereitschaft, die sie nun predigt. Zu spät. Viel zu lang hatte sie Nationalismus und EU-Hass ihrer Parteirechten Zucker gegeben. Dass deren Vertreter ebenso wie der Nationalpopulist Nigel Farage nun von Mays "Verrat" und Großbritanniens "Demütigung" reden, ist die Folge. May wird als total überforderte, miserable Premierministerin in die Geschichte eingehen. (Sebastian Borger, 24.5.2019)