Sie hassen Hände – und da kommen sie schon! Das Ensemble von "Hass-Triptychon": Abak Safaei-Rad, Aram Tafreshian, Cigdem Teke, Bruno Cathomas, Jonas Grunder-Clumemann, Johannes Meier und Benny Claessens (nicht im Bild).

Judith Buss

Es wäre ein echter Knaller, würde Ersan Mondtag, der Berliner Regisseur mit Hang zu farbenprächtigen Avatar-Figuren, die Leitung des Wiener Volkstheaters übernehmen. Mit einem jungen, popaffinen und vor allem diversen Theater könnte er in der Stadt gewiss einen Platz besetzen, den ihm weder Burgtheater noch Josefstadt streitig machen.

Seine Festwochen-Inszenierung von Sibylle Bergs Hass-Triptychon – Wege aus der Krise wäre allerdings nicht das allerbeste Argument dafür. Der 32-jährige Shootingstar hat schon profundere Arbeiten vorgelegt, allen voran seine Theatertreffen-Erfolge Tyrannis (2015) und die famose Hedonismus-Studie Vernichtung (2016).

Am Volkstheater, wo die Koproduktion von Wiener Festwochen und Gorki Theater Berlin am Freitag Uraufführung hatte, kommt zwar vieles von jenem Formbewusstsein zum Tragen, das Mondtag im Theater neu etabliert hat: raumgreifende Kunstwelten, posthumanes Figurenpersonal, Tonspuren der Beklemmung. Das Areal der kulissenschweren Drehbühne (Nina Peller) wird indes nicht wirklich in Betrieb genommen. Es bleibt ein ab der Hälfte einigermaßen durchhängender Deklamationsabend, der dank Benny Claessens als Moderator aber eine gefährliche Dimension erhält.

Geballte Ladung

Thema von Sibylle Bergs Text ist der Hass, der die Gesellschaft durchdrungen hat, vornehmlich eine abgestiegene Mittelschicht, weil man ihr etwas genommen hat: den Job, das soziale Miteinander, den Sex, die Zukunft, die Familie, die Kindheit, den Urlaub in der Provence. Aber es wäre nicht Sibylle Berg, würde dieser Kritik am Spätkapitalismus nicht auch eine geballte Ladung Zynismus innewohnen. Denn die Selbstbejammerung führt zu einer provokanten Therapie: Terror, alles niederballern! Üblicherweise werden Opfer- und Außenseiterrollen am Theater kultiviert, hier werden sie herausgefordert.

Hater ergreifen die Waffen

Die Schauspieler stecken in bunten, wanstigen Kostümen und wirken wie Trolle mit Teletubbie-Gemüt. Sie jammern im ersten Teil über die Schrecken des Sonntags, im zweiten über die des Montags, und im dritten wird zu den Waffen gegriffen ("Den ersten Kollegen erschoss ich in der Mittagspause"). Mondtag choreografiert die Drehbühnenwege ohne gesteigertes Interesse, vorbei und hinein in ein Europa-blau beschienenes Haus mit arabischer Aufschrift; angeblich verweisen die Zeichen auf die Fassade des Berliner Hauses der Statistik, von dem in großen Buchstaben "Stop Wars" prangt.

Die gereimten Passagen in Bergs Text nützt Mondtag für Ansätze eines Rap-Musicals (Musik: Beni Brachtel): "Ich wäre glücklich wie ein Wiesel,/ Wenn ich dein Herz zum Mittag säh,/ In einer großen, runden Dose,/ umgeben von Aspikgelee".

Magnet des Abends ist Benny Claessens, der nicht nur seinen Hatern verbalsadistisch zu Leibe rückt ("Ihr könnt euch doch gleich aufbahren lassen!"), sondern auch dem Publikum zeigt, welch gefährliche Tiere aus einem Schauspielerkörper ausbrechen können. "Hass, lass nach!", wünscht man sich. Aber die Finstergöttin Sibylle Berg weiß es besser. (Margarete Affenzeller, 27.5.2019)