Sowohl Cephalia rufipes aus der Gruppe der Schmuckfliegen,...

Foto: ZFMK, Bonn – GBOL – German Barcode of Life

... als auch Conops scutellatus aus der Gruppe der Dickkopffliegen machen einen reichlich exotischen Eindruck. Beide Arten sind jedoch in Mitteleuropa heimisch.

Foto: ZFMK, Bonn – GBOL – German Barcode of Life

Fliegen und Mücken zählen mit rund 10.000 bekannten Arten zu den umfangreichsten Insektengruppen in Mitteleuropa. Nun legt eine langjährige Untersuchung nahe, dass es noch bedeutend mehr Spezies sein dürften: Von über 5.000 nun genetisch erfassten Arten dieser Gruppe konnte für über die Hälfte noch kein wissenschaftlicher Name zugeordnet werden.

Wissenschafter haben im Rahmen einer internationalen Kooperation rund zehn Jahre lang in Deutschland insgesamt 45.000 Einzelindividuen aus der Ordnung der Zweiflügler (Diptera) gesammelt und genauer analysiert. Das Ergebnis lieferten den Forschern eine veritable Überraschung. Aus den Proben ermittelten die Biologen mittels DNA-Barcoding schließlich 5.200 verschiedene genetische Linien. Von diesen waren rund 2.500 bereits bekannt.

Tausende "Dark Taxa"

Für die andere Hälfte der genetischen Kennsequenzen konnten dagegen keine wissenschaftlichen Artname zugeordnet werden. Die Wissenschafter sprechen von sogenannten "Dark Taxa" – Arten, die entweder noch keinen Namen haben oder deren Identifikation extrem schwierig ist.

Grundsätzlich ist die Gruppe der Diptera unter den Insekten die artenreichste Ordnung in Deutschland. Die meisten Arten sind allerdings sehr klein und unscheinbar und selbst für Experten anhand ihrer äußeren Merkmale nur sehr schwer zu bestimmen. "Uns fehlen weltweit die Fachleute für diese Insektengruppe," erklärt Jérôme Morinière, von der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM) und Erstautor der im Fachjournal "Molecular Ecology Resources" erschienenen Studie. "Wir hoffen nun, genug Diptera-Experten zu finden, die diese vielen unbekannten Arten bestimmen oder neu beschreiben können."

Online-Bibliothek bekannter und unbekannter Arten

Die Gensequenzierung erfolgte im Rahmen der Projekte "Barcoding Fauna Bavarica" und "German Barcode of Life". In diesen Projekten ermitteln die Münchner Forscher genetische Kennsequenzen (DNA-Barcodes) aller bayerischen, beziehungsweise deutschen Tierarten und stellen sie in einer Online-Bibliothek Fachleuten und der Öffentlichkeit frei zur Verfügung. Ziel der Initiativen ist es, eine Datenbank zu schaffen, mit der jedes unbekannte Tier, das in Deutschland gefunden wird, an Hand seiner DNA bestimmt werden kann. Bisher wurden von den ZSM-Wissenschaftern DNA-Barcodes von etwa 23.000 deutschen Tierarten erstellt.

Bis die noch unerforschten "Dark Taxa" einen wissenschaftlichen Namen erhalten, vergeben die Forscher vorläufige Zwischenbezeichnungen, die auf der genetischen Abgrenzung der Arten basieren. Gerade besonders artenreiche Gruppen wurden bisher in der Biodiversitätsforschung, im Naturschutz und in der ökologischen Forschung aufgrund ihrer schwer zu entschlüsselnden Verwandtschaftsverhältnisse oft vernachlässigt. Die nun publizierte Studie zeigt: Auch die umfassende Sammlung der "genetischen Arten ohne Namen" erweist sich als effektive Referenz-Bibliothek für die Untersuchung solcher Gruppen. (red, 27.5.2019)