Matthias Strolz trifft in Zams Schwester Barbara. Er will wissen, warum sie sich für ein Leben im Kloster entschieden hat.

Foto: Puls 4

Innenpolitisch steppt der Bär, Matthias Strolz geht ins Kloster. Strolz trifft Nonne heißt es am 4. Juni um 21.50 Uhr auf Puls 4. Der Ex-Politiker tritt in Dialog, zunächst im Pilotfilm. Bei Zuschauerinteresse können weitere Begegnungen folgen.

STANDARD: Angesichts der gegenwärtigen politischen Verwerfungen: Bedauern Sie Ihren Rückzug?

Strolz: Die letzten zehn Tage haben mich natürlich nicht kalt gelassen, aber wen hat das schon? Es sind, politisch gesehen, sehr bewegte Zeiten, ich beobachte mit großem Interesse, was da läuft. Die Dinge sind auch nicht völlig voneinander entkoppelt. Natürlich ist es auf den ersten Blick schräg, dass ich in einen klösterlichen Rückzug gehe. Aber ich bin davon überzeugt, dass so aufgeganselte und komplexe Zeiten die Besinnung auf das Grundsätzliche brauchen.

STANDARD: Das ist in der Politik nicht möglich?

Strolz: Natürlich ist es eine Phase, wo es jeden politischen Menschen jucken würde entlang der Frage "Was ist mein möglicher Beitrag?". Mein wesentlicher Beitrag in den letzten Jahren war, gemeinsam mit anderen Mitstreitern dieser Republik von fast neun Millionen Menschen eine neue politische Kraft der Vernunft zu stiften. Da habe ich in diesen Tagen natürlich stille Vaterfreuden. Das läuft gut.

STANDARD: Stimmen Sie sich ab?

Strolz: Natürlich sind wir in gutem Austausch, wie ich aber auch in Austausch mit Vertretern anderer Parteien bin. Wenn du einmal in dieser Branche warst, bleibst du dir auch verbunden.

STANDARD: Wie darf man sich das vorstellen? Tägliche Telefonate?

Strolz: Nein, das wollen beide Seiten nicht, und das braucht es auch nicht. Aber es gibt immer wieder Begegnungen. Ich bin nach wie vor ein sehr politischer Mensch und Gründungsvorsitzender ein Leben lang, da ist eine sehr große Loyalität da und eine Freude, wenn diese Bewegung weiter wächst. Gleichzeitig merke ich, dass mich die Politik über die Parteipolitik hinaus bewegt. Parteipolitik ist nicht mehr mein Fokus. Mir geht es ganz stark um das Verbindende. Ich glaube, dass wir in Zeiten wie diesen Strategien kultivieren müssen, wir wir Blasen aufstechen in der Gesellschaft. Jeder rollt ein Stück weit in seinen Blasen vor sich hin, und jede Blase ist sich selbst genug. Dazu kommt eine starke Polarisierung, die in den nächsten Monaten gerade in Österreich weiter zunehmen wird. Das tut uns nicht gut, und da halte ich mit meinen bescheidenen Mitteln dagegen. Das ist überparteilich. Es geht mir zum Beispiel darum, das proeuropäische Feld mitzukultivieren.

STANDARD: Hätten Sie den Misstrauensantrag unterstützt?

Strolz: Das ist tatsächlich eine schwierige Frage, aber ich finde die Linie von Beate Meinl-Reisinger sehr nachvollziehbar. Unmittelbar jetzt hat der Antrag schon potenziell zerrüttenden Charakter. Wir wissen alle nicht, wie es dann weitergeht. Es ist natürlich so, dass Sebastian Kurz über all die Monate und Jahre – auch bereits als Außenminister – dem Parlament immer wieder die kalte Schulter, wenn nicht eine gewisse Verachtung gezeigt hat. Das ist ein gruppendynamisches Phänomen, das hier gerade abläuft. Da ist viel Parteitaktik auf etlichen Seiten. Das ist aber auch eine späte Entladung bezüglich seines früheren Verhaltens. Aber in der jetzigen Situation muss man schon ans Staatsganze prioritär denken.

STANDARD: Es heißt, dass die Neos 2015 Material mit kompromittierenden Inhalten mit Heinz-Christian Strache erhalten haben. Wurde es Ihnen angeboten?

Strolz: Ich habe das mit Interesse gelesen, kann mich aber diesbezüglich an nichts erinnern. Man bekommt jede Woche zehn Schreiben von Verrückten mit den gröbsten Verschwörungstheorien. Es kann sein, dass es als solches durchgerutscht ist, sodass ich es nicht wahrgenommen habe.

STANDARD: Sie werden vermutlich mit Ihrer Sendung auf Puls 4 ein paar Leute weniger erreichen als zu Zeiten Ihrer Politikerkarriere. Spielt das eine Rolle?

Strolz: Ich sehe, dass die Reichweiten andere sein werden, aber das hält mich nicht davon ab, meinem Wunsch nachzugehen, wirksam für diese Gesellschaft zu sein. Außerdem habe ich noch andere Rollen. Es war so, dass nach den sieben Jahren Einsatz für die Politik mich meine Familie einfach mehr brauchte. So war es auch diesbezüglich eine Entscheidung.

STANDARD: Ihre Familie haben Sie aber ein wenig warten lassen. Zuerst ging's nach Indien zur Ayurveda-Kur.

Strolz: Die Trennung von der Politik ist zunächst einmal eine wilde Ablöseaufgabe. Wenn man so tief drinnen ist und rausgeht, da habe ich mich mit anderen ehemaligen Spitzenpolitikerinnen und -politikern unterhalten, worauf ich mich einstellen kann. Alle sagten, sicherlich ein Jahr lang auf eine Art von Ablöseprozess. Da war mir wichtig, mich gut zu verbinden, nämlich gut mit mir selbst. Es hat niemand was davon, wenn ich daheim unrund auf der Couch sitze. Wir hatten ein gutes Einvernehmen, meine Frau und ich, dass ich auf mich schaue und in mich hineinspüre. Ich habe auch einen Monat Social-Media-Fasten gemacht, um ein Stück weit von der Nadel zu kommen.

STANDARD: Wie war der Entzug?

Strolz: Süchtig bin ich nicht, aber natürlich bin ich ein durch und durch politischer Mensch und Politik wird mich immer berühren und bewegen. Es war eine Form der Freiheit, ich bin aber danach auch gerne wieder auf diese Kanäle zurückgekehrt. Ich bin so etwas wie ein Impact-Entrepreneur. Als wir mit Puls 4 das TV-Format entwickelt haben, gab es die Frage, ob das auch laut und schnell und schräg genug ist. Jetzt wird keiner einen Zweifel daran haben, dass ich laut und schnell und auch schräg sein kann. Der Schalk schaut dann auch bei der Sendung ums Eck, das ist mir auch wichtig, da Humor und Selbstironie für Bodenhaftung wichtig sind. Aber grundsätzlich ist es eine Tiefenbohrung, und das ist mir wichtig. Wir müssen ein ehrliches Interesse aneinander entwickeln. Ich arbeite punktgenau an dem weiter, wo ich die letzten Jahre gearbeitet habe, nur mit anderen Instrumenten.

STANDARD: Wie sehr wollen Sie sich aus der Blase bewegen? Mit welchen Menschen würden Sie sich noch gerne verbinden?

Strolz: Die Begegnung mit einer Klosterschwester hat sich unterwegs ergeben. Natürlich sind andere geplant, wenn das Format stimmig ist, wenn es eine Nachfrage hat. Ich bewege mich auf einem Markt, das ist mir sehr wohl bewusst. Aber ich bin dann auch ein selbstbewusster Anbieter. Ich hätte auch als Parteienanbieter gewusst, was ich tun muss, damit ich 20 Prozent Wählerstimmen kriege. Das ist nur die Frage: Will ich das? So ist es auch beim Fernsehen. Ich bin in gutem Austausch mit Puls 4 und finde es sehr mutig, dass sie das machen. Wir haben andere Projekte in Vorbereitung. Ich bin ein Start-up-Unternehmer, das heißt Prototypen bauen, und wenn sie fliegen, dann werden sie skaliert, dann kommt volle Energie drauf, und wenn nicht, wird man etwas grundsätzlich anderes anpacken. Aber Gesprächspartner könnte ich mir noch viele vorstellen, vom Ex-Junkie über den Aussteiger, die Milliardärin bis hin zu einem Staatsverweigerer, dem letzten Punk in Wien – da gibt es viele Möglichkeiten. Wir wollen in Welten hineinschauen, die für uns nicht so einfach zugänglich sind, zu denen wir viele Vorstellungen oder Fantasien haben. Dazu gehört für mich auch eine Klosterschwester. Ich habe viel gelernt dabei.

STANDARD: Was haben Sie gelernt?

Strolz: Dass es gar nicht so aus der Welt ist, ich habe mir das ein bissl schräger vorgestellt. Aber wenn du dich einmal darauf einlässt, ist das eine stimmige, eigene Form des Daseins, aber für mich nachvollziehbarer als davor.

STANDARD: Inwiefern ist die Sendung eine Selbsttherapie in dem von Ihnen bezeichneten "Selbstablösungsprozess"?

Strolz: Nein, es ist Teil meines Wesens. Mir war immer wichtig nachzuspüren, was mein Wesenskern ist, und da bin ich tatsächlich dieser Gärtner des Lebens. Ich will soziale Felder kultivieren. Es zieht mich immer wieder ins Kollektiv. Ich musste mir immer sehr gewissenhaft die Frage stellen: Geht's jetzt da um mein Ego? Oder geht's um den Wunsch, wirksam zu sein? Ich hoffe, dass ich so gut bei mir bin, dass ich hier dienstvoll für das große Ganze sein kann. Vielleicht nicht mit dem Wirkungsradius, den ich sieben Jahre als Spitzenpolitiker hatte. Aber um den Wirkungsradius geht's mir nicht prioritär. Jede der Baustellen, die ich gerade bearbeite, kann genauso mächtig werden in der Wirkung wie die Parteigründung. Der Samen ist gelegt, sodass er auch große Kreise ziehen kann. Es muss aber nicht sein, da bin ich schicksalsergeben. Essenziell ist: Ich bin in der Entfaltung.

STANDARD: In welche Richtung könnte es gehen? Nachdem Sie jetzt den Einstieg bei Puls 4 gemacht haben – vielleicht als Kommentator neben Corinna Milborn bei den Nationalratswahlen im Herbst?

Strolz: Nein, Kommentator mache ich nicht. Da habe ich in der Tat mindestens sieben verschiedene wertige Angebote gehabt, von klassischer Talkshow über Videokolumnen bis zum Gastkommentatorentum. Das erschiene mir als Rollenverfehlung. Ich glaube nicht, dass ich als ehemaliger Parteichef meine früheren Branchenkollegen vom Balkon aus bewerten sollte. (Doris Priesching, 28.5.2019)