Thomas Glavinic lernte Heinz-Christian Strache bei einem Streitgespräch für den STANDARD im Jahr 2013 kennen.

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Im Jahr 2013 traf sich der Schriftsteller Thomas Glavinic auf Einladung des STANDARD mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu einem Gespräch. Beide hatten Vorurteile und waren zuvor nicht besonders gut aufeinander zu sprechen. In weiterer Folge dürfte man aber Gefallen am Austausch gefunden haben.

Über zwei Jahre hinweg habe man sich danach mehrfach zum Essen getroffen, erklärt Thomas Glavinic jetzt in der deutschen Tageszeitung "Die Welt". In einem Artikel resümiert der Autor nach Auftauchen des Ibiza-Videos seine Bekanntschaft mit Strache. Glavinic habe damals darüber nachgedacht, ein Buch über Politik, das Politische und das Apolitische zu schreiben. Daraus wurde nichts.

Schlechten Ruf eingehandelt

In dem Artikel beklagt Glavinic, dass er sich einen "schlechten Ruf" eingehandelt habe, weil er sich damals "weigerte, sich zu weigern", mit Strache und Johann Gudenus zu sprechen. Die politische Linke und selbst enge Freunde hätten Glavinic gemahnt: "Mit so jemandem redet man nicht."

Glavinic sieht das anders: Er selbst habe "die Militanz" der Zeit seiner "pubertären Kerben im Türrahmen", von denen jede für einen von ihm verprügelten Neonazi gestanden sei, "längst überwunden". "Weite Teile der österreichischen Gesellschaft geben sich links oder linksliberal, ohne in ihren Standpunkten die totalitären Elemente zu erkennen." Die Wähler der FPÖ würden "seit 1986 als Menschen von geringerem Wert betrachtet".

Billigung von Gewalt gegen Rechte

"In der Angst, für einen Sympathisanten der Nazis gehalten zu werden, trägt man gern seine lupenreine Gesinnung vor sich her und billigt elitäre, abgehobene, menschenverachtende, hetzerische und vorverurteilende Positionen bis hin zur Gewalt gegen rechte Politiker", so Glavinic.

Zwar erinnert der Schriftsteller in dem Artikel an Straches Fotos von mutmaßlichen Wehrsportübungen und sonstige Verfehlungen, Strache sei aber nicht "stramm deutschnational". Sowohl Strache als auch Gudenus habe er "nicht als Hetzer erlebt, sondern mehr wie ein verletztes Kind". Außerdem schätzte Glavinic "Anzeichen von Selbstironie" und den Humor Straches. Seine persönliche Grenze der Gesprächsbereitschaft ziehe der autor bei Neonazis wie Gottfried Küssel, mit denen er sich "keinen zivilisierten Meinungsaustausch mehr vorstellen" könne.

Ibiza-Video: "Hätte auch dabei sein können"

Das Ibiza-Video habe ihn "nicht überrascht". In seinem früheren Leben, so Glavinic, als er noch Drogen genommen habe und soff, hätte er "auch dabei sein können". Eine angebliche Behauptung Straches im Ibiza-Video, Glavinic stehe der FPÖ nahe, lässt der Autor nicht gelten. "Ich bin niemals der FPÖ nahegestanden, schon der Gedanke verursacht bei mir Migräneattacken. Ich bin vielmehr ihm (Strache, Anm.) nahegestanden", so Glavinic, der auf den Inhalt des Ibiza-Videos nicht weiter eingeht.

In Strache, so Glavinic, habe er "jedenfalls weniger Hass gefühlt als in manchen der Menschen, die sich wegen meines Kontakts zu ihm von mir abgewandt haben".

Gänzlich anders reagierte der Schriftstellerkollege und Freund Glavinics, Daniel Kehlmann, auf das Ibiza-Video: Er unterstellte den FPÖ-Politikern eine "Neanderthalerpsyche". (red, 27.5.2019)