"Als meine Mutter schwanger war, ist meine Oma zu einer Hellseherin gegangen. Die hat gesagt, dass ich ein Junge werde. So war es auch. Ich bin ein Junge im Körper eines Mädchens.

Zum ersten Mal zeigte sich das, als ich ungefähr vier Jahre alt war. Wir waren bei einer Familienfeier. Ich kann michnoch so gut daran erinnern: Die Mädchen hatten alle Kleider an, die Jungen alle Anzüge. Ich habe meine Mutter gefragt: Wieso habe ich keinen Anzug an? Ich habe das überhaupt nicht verstanden. Meine Mutter hielt das für eine dumme Frage und hat die Geschichte meinem Vater erzählt. Er hat zu mir gesagt: Du kannst kein Junge sein, du bist als Mädchen geboren. Dein Körper ist weiblich, dein Geschlecht ist weiblich. Meine Eltern konnten es mir aber nicht ausreden. Auch wenn ich nicht so aussehe: Ich fühle mich als Junge.

Einige Jahre danach haben sie mich in die Psychiatrie gesteckt. Dort habe ich meinen besten Freund kennengelernt. Er stand immer hinter mir. Er hat mir gezeigt, dass man das Leben genießen soll. Jeden Tag hat ermir gesagt, wie toll ich doch bin und wie gut ich als Junge aussehe. So hat er mich dazu gebracht, an mich zu glauben.

Langsam akzeptiert

Dann kam der Tag, an dem ich mir meine Haare ganz kurz abgeschnitten habe, mit einer Heckenschere. Ich habe mich ab sofort als Beny vorgestellt, auch in der Schule. Die meisten haben mich so akzeptiert, wie ich bin.

Trotzdem gibt es immer wieder schwierige Situationen. Zum Beispiel als mir einmal eine Direktorin verboten hat, auf die Herrentoilette zu gehen. Ich durfte aber auch nicht auf die Damentoilette gehen.

Ganz schlimm war es für mich auch, als ich meine Periode bekam. Ich wusste nicht, was das ist, ich dachte zuerst, ich muss sterben.

"Ich bin schon viel selbstsicherer geworden", sagt Beny S. Seit seiner Kindheit kann sich der 17-Jährige nicht mit seinem biologischen Geschlecht identifizieren.
Foto: Heribert Corn

Seit einem halben Jahr mache ich nun eine Lehre. Ich arbeite in einem Hotel, wo ich zum Rezeptionisten ausgebildet werde. Manchmal helfe ich aber auch in der Küche oder im Garten mit. Im Hotel muss man eben einspringen, wo es nötig ist. Auch bei der Bewerbung für die Lehrstelle habe ich mich als Junge vorgestellt, für meinen Chef war das kein Problem. In der Berufsschule sehen sie mich ebenfalls als Junge. Die Gesellschaft akzeptiert es langsam, dass es auch Menschen wie mich gibt, Homosexuelle, Transgender, genderfluide Menschen.

Schon viel selbstsicherer

Oft passiert es aber auch, dass ich verarscht werde. Letztens war ich zum Beispiel mit meiner Freundin unterwegs, und jemand hat gesagt: Oh, ein lesbisches Pärchen. So etwas verletzt mich. Für mich ist es eine Beleidigung, wenn mich jemand Mädchen nennt. In solchen Situationen versuche ich, mir zu sagen: Es ist doch egal, was andere denken. Über die Jahre bin ich schon viel selbstsicherer geworden.

Seine Eltern hätten wenig Verständnis dafür gehabt, dass ihre Tochter ab sofort ein Mann sein will, berichtet Beny S. Weil der Konsequenzen befürchtet, will er lieber anonym bleiben.

Was kann ich noch über mich sagen? Ich lache viel, mache irgendwelche Witze, die meistens nur ich witzig finde, ich rede sehr viel, oft nur Unsinn über dies und das, damit es nicht still ist. Denn ich hasse Stille. Ich kleide michgerne stylish. Mode ist für mich ein Ausdruck meiner Persönlichkeit. Geil finde ich vor allem Vintage-Sachen. Meine Lieblingsfarbe ist Rosa, was schon ein wenig absurd ist.

Jetzt mache ich gerade Matura. Sobald ich 18 bin, will ich mich umoperieren lassen, auch wenn ich weiß, dass daskompliziert ist. Eines Tages will ich auch eine Familie haben.

Natürlich gibt es Momente, in denen ich zweifle, ob mir das alles jemals gelingen wird. Dann denke ich mir: Ichschaffe das. Morgen sieht die Welt sicher schon wieder ganz anders aus." (Protokoll: Lisa Breit, 30.5.2019)