Foto: Wikimedia

Nach der Unterstufe einfach weiter in die Oberstufe gehen, eine berufsbildende höhere Schule machen oder doch eine Lehre? Und danach? Matura, studieren oder gleich arbeiten? Als Angestellter oder sich selbstständig machen?

In kaum einer Lebensphase trifft man so viele Entscheidungen wie zwischen 15 und 35 Jahren. Jede Entscheidung ebnet hier auch den Weg ins spätere Arbeitsleben; wo man künftig wohnt; mit welchen Personen man sich umgibt; oder wann man eine Familie gründet.

Millionenmal wählen wir täglich zwischen verschiedenen Möglichkeiten, wollen Wissenschafter herausgefunden haben. Und rund 20.000 Entscheidungen treffen wir schließlich pro Tag. Die meisten davon laufen unterbewusst ab. Etwa, ob man morgens beim ersten Weckerläuten aufsteht oder snoozt. Ob man zum Frühstück lieber Tee oder Kaffee trinkt. Oder ob man mit blauem oder schwarzem Stift schreibt. Doch Entscheidungen, die die eigene Zukunft betreffen, sind oft nicht so leicht zu fällen. Was sie so schwierig macht: dass man nicht weiß, wo der Weg, den man einschlägt, endet. Aber auch, dass man mit der Wahl einer Option alle anderen ausschließt. Daher kommt ja auch der Begriff "entscheiden".

Entscheidungen heute schwieriger

Barbara Heitger ist Psychoanalytikerin und berät Unternehmen in richtungsweisenden Fragen. Sie sagt in einem Standard-Interview: "Heute fallen Entscheidungen oft noch viel schwerer als früher." Der Grund: Es gebe viel mehr Möglichkeiten. Außerdem ist die Zukunft schwer vorauszusagen, weil sich die Welt so schnell dreht. Ist mein Beruf noch gefragt, wenn ich in fünf Jahren mit dem Studium fertig bin? Solche Zweifel sind nicht unberechtigt.

Foto: Heribert Corn

Unser Bauchgefühl gibt uns sehr schnell eine Vermutung, was richtig ist. Wenn die Zeit knapp ist oder wir in komplizierte Situationen geraten, verlassen wir uns darauf. Man denke zum Beispiel an eine Ärztin in der Notaufnahme: Sie hat meist keine Zeit, alle Informationen über einen Patienten zu sammeln und dann zu überlegen, wie sie ihn behandeln soll. Sie entscheidet aus dem Bauch heraus, was ihm jetzt hilft. Oder an einen Tormann beim Elfmeter. Nachdem der Gegner den Ball getroffen hat, bleiben ihm Bruchteile einer Sekunde, um zu entscheiden: In welche Ecke soll ich springen? Er muss spekulieren und auf sein Gefühl vertrauen. So eine Bauchentscheidung fällt binnen 0,2 Sekunden.

Für die großen Entscheidungen eignet sich der Bauch jedoch nicht so gut. Schon der berühmte Psychoanalytiker Sigmund Freud soll gesagt haben: Die großen Entscheidungen triff mit Kopf, Bauch und Herz. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman fand heraus, dass Ängste und Vorurteile mitmischen, wenn wir uns nur auf den Bauch verlassen.

Gefühle und Verstand

Eine weitere Gefahr der schnellen Bauchentscheidungen ist, dass wir uns auf das Vertraute verlassen und meist die bekanntere Alternative wählen. Das Gehirn denkt dann gar nicht an weitere Informationen, um beide Seiten abzuwägen. Das haben Psychologen in einer Studie der Universität des Saarlands nachgewiesen. Das kann auch ein Nachteil sein, wenn man in unüblichen Situationen entscheiden muss. Der Tormann kann in die falsche Ecke springen, weil er ausgetrickst wurde, statt dorthin, wo der Spieler üblicherweise schießt.

Die Kunst besteht also darin, beides, also Gefühle und Verstand, mitreden zu lassen. Eine Frage, die man sich in einem ersten Schritt stellen kann, wenn man nicht weiß, wohin es gehen soll: Welche Zukunft wünsche ich mir und was ist mir wichtig? Zu wissen, wer man in zehn Jahren sein möchte, helfe enorm, sich im Dschungel der Optionen zurechtzufinden, sagt Expertin Heitger.

Außerdem rät sie, sich in einem zweiten Schritt mit Personen auszutauschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Die beispielsweise einen bestimmten Lehrberuf ergriffen haben oder in Spanien studieren. Sie kann man fragen: Wie ist es? Was würdest du gleich, was anders machen? Der dritte Schritt: Sich mit Freunden und Familie austauschen, denn sie kennen einen gut; wissen, was einem liegt oder eher nicht. Der vierte Schritt kann sein, etwas in die Richtung auszuprobieren, etwa nach Spanien zu reisen, um zu sehen, ob es einem dort überhaupt gefällt. Oder man entscheidet sich auf Probe und beobachtet, ob das die richtige Entscheidung war.

"Abschließend sollte man sich auch Zeit nehmen, um über all diese Inputs nachzudenken", sagt Heitger. Große Entscheidungen müssen reifen. Gut sei, wenn man sich allein und in Ruhe damit auseinandersetzt. "Dann kann alles gut auf einen einwirken." Wer also eine solche Wahl treffen muss, aber gerade viel lernt oder arbeitet, sollte sich Pausen nehmen, um die Pros und Kontras abzuwägen. Oft kommt einem auch im Bad der richtige Gedanke oder erst, wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat.

Nicht zu lange grübeln

Das ist auch gut so: Denn entscheidet man sich unter Stress, werden Hormone ausgestoßen, die das Denken blockieren. Zu lange zu grübeln ist auch nicht empfehlenswert. Das macht unglücklich, zeigten kanadische Forscher, weil man zu lange über verpasste Chancen nachdenke. Hat man noch immer keine Lösung, kann man die Entscheidung aufschieben. Nach ein paar Tagen sieht man die Dinge oft klarer.

Doch wann ist eine Entscheidung eigentlich gut? "Wenn man sich sicher ist: Das stimmt für mich", sagt Heitger. Stellt sich ein Weg im Nachhinein als falsch heraus, sollte man nicht an ihm festhalten, das kostet nur Zeit. Besser ist, dazu zu stehen. Entscheidungen können zwar nicht rückgängig gemacht werden, aber nichts spricht dagegen, später in eine andere Richtung zu gehen. Aus Fehlentscheidungen lernt man für die Zukunft. Vielleicht nimmt das auch ein wenig die Angst vor Entscheidungen.


Vivien Toth will sich selbstständig machen.
Foto: Heribert Corn

VIVIEN TOTH, 17

"Ich will meine eigene Chefin sein"

"Mich inspirieren Menschen, die es geschafft haben, von null auf etwas aufzubauen. Auch ich möchte mich später selbstständig machen. Womit genau, weiß ich noch nicht, ich könnte mir gut eine Agentur für Marketing vorstellen – dabei auch zeitweise im Ausland arbeiten. Mich reizt am Gründen, dass ich meine eigene Chefin bin und etwas erschaffen kann. Deshalb will ich nach der Schule Business und Economics an der Wirtschaftsuniversität Wien studieren. Ich denke viel darüber nach, ob das der richtige Weg ist. Denn: Jetzt interessiert mich das, aber vor zwei Monaten war es noch etwas anderes. Lange wollte ich Anwältin werden. Bei einem Praktikum merkte ich, dass mich da doch mehrere Tätigkeiten nicht hundertprozentig erfüllen würden. Somit lag ich vor einer neuerlichen Suche. Meine Vorstellungen ändern sich sehr oft. Auch weil es allgemein so viele Möglichkeiten gibt. Das überfordert. Was ich aber weiß: Ich will keine fixen Arbeitszeiten von neun bis 17 Uhr. Ich teile mir meine Zeit lieber selber ein, ich arbeite vor allem am Vormittag gut. Am Nachmittag würde ich gerne meinen Leidenschaften nachgehen. Bisher war das Irish Dance, ich war professionelle Tänzerin. Doch wegen zu vieler Verletzungen musste ich damit aufhören. Mein Job wird das aber nie ersetzen können: Mir ist eine Trennung von Arbeit und Freizeit sehr wichtig." (set)


Michael Baer kann sich vorstellen, einen Sozialberuf einzuschlagen.
Foto: Heribert Corn

MICHAEL BAER, 19

"Geld und Prestige sind nicht so wichtig"

"Wofür ich meinen Eltern dankbar bin: Jede Entscheidung ist mir freigestanden, ich habe mir jede Schule selbst aussuchen dürfen, schon die Volksschule. So lassen sie mir auch jetzt die freie Wahl, was ich beruflich mache. Im Juni maturiere ich. Im Oktober beginnt mein Zivildienst im Bundesblindenerziehungsinstitut. Ich habe mich dort beworben, weil ich der Gesellschaft etwas zurückgeben will. Die Arbeit wird sicher etwas ganz Neues für mich. Wenn ich mit dem Zivildienst fertig bin, will ich Wirtschaft studieren. Genauer gesagt: internationale Betriebswirtschaftslehre. Ich möchte mein Auslandssemester in Frankreich machen, ich maturiere jetzt auch in Französisch. Danach werde ich schauen, wo es mich hintreibt. So viel weiter in die Zukunft will ich auch noch gar nicht denken. Wenn ich während des Zivildienstes draufkomme, dass mir ein Sozialberuf liegt, kann ich mir auch vorstellen, diesen Weg einzuschlagen. Meine Interessen sind breit gefächert. Es ist für mich ein tolles Gefühl zu wissen: Ich kann mir selbst etwas aussuchen, etwas, das mir Spaß macht, mir etwas bringt und mich auch erfüllt. Geld und Prestige sind mir gar nicht so wichtig. Ich kann der größte Firmenboss sein: Das ist sinnlos, wenn mir die Arbeit keinen Spaß macht und andere Dinge auf der Strecke bleiben. " (lib)


Sara Szieber will keinen Nine-to-five-Job.
Foto: Heribert Corn

SARA SZIEBER, 18

"Ich weiß ganz genau, was ich nicht will"

"Ich wusste nie wirklich, was ich machen will. Zuerst wollte ich Jus studieren, dann Marketing. Jetzt habe ich die Idee, etwas mit Filmen zu machen. Ich glaube, dass das jetzt das Richtige ist, weil ich wirklich darüber nachgedacht habe, was ich kann und was mir Spaß macht. Ich habe einen YouTube-Kanal mit inzwischen fünf oder sechs Videos. Ich filme vor allem im Urlaub. Letztens waren wir zum Beispiel mit der Klasse in Rom, und da habe ich auch mitgefilmt. In den Videos geht es nicht so sehr um mich, mehr um das Rundherum. Meist filme ich mit dem Handy, weil die Qualität eh ziemlich gut ist, manchmal aber auch mit einer kleinen Kamera. Vielleicht kann ich ja einmal mit meinen Videos meinen Lebensunterhalt verdienen. Heutzutage, kommt mir vor, ist alles möglich. Man kann auf YouTube quasi über Nacht berühmt werden. Ich weiß also noch nicht ganz genau, was ich will, aber dafür, was ich nicht will: etwas mit Medizin machen. Ich liebe zwar Tiere über alles, und von daher wäre Tierärztin naheliegend, aber ich kann kein Blut sehen und keine Spritzen. Was für mich ebenfalls nicht infrage kommt, ist ein Nine-to-five-Job. Viel lieber wäre ich selbstständig. Ich weiß schon, dass man dann auch sehr viel arbeitet, aber man macht es für sich selbst, und das Geld landet in der eigenen Tasche. " (lib)


Dario Bojic ist zuversichtlich ob seines Berufswegs.
Foto: Heribert Corn

DARIO BOJIC, 18

"Alles wird sich irgendwie fügen"

"Ich möchte künftig eine Arbeit haben, die ich liebe. Und bei der ich mich verwirklichen kann, also Sinn darin sehe, was ich tue. Doch mein Problem ist: Ich habe viele Interessen und weiß nicht so recht, welches ich verfolgen soll. Musikproduzent zu werden würde am meisten meiner kreativen Ader entsprechen. Auch in den Journalismus zu gehen könnte ich mir vorstellen. Deshalb habe ich im Sommer einen Ferialjob bei einer Zeitung gemacht. Das Klima war angenehm, alle waren per du und bodenständig und sind gemeinsam mittagessen gegangen. Das hat mir gezeigt, welches Arbeitsumfeld ich will. Ich habe aber auch gerne mit Menschen zu tun, würde auch gerne Lehrer für Bio oder Sprachen werden. Wenn es ganz egal wäre, was ich mache, würde ich am liebsten in die Forschung gehen, Genetik finde ich spannend. Was auch immer es wird, es wird schon irgendwie hinhauen. Ich mache mir da keine Sorgen, bisher hat sich immer alles gefügt. Um meinen Weg zu finden, habe ich schon mal mit einer Psychologin gesprochen, auch mein Klassenvorstand ist für mich eine Leitperson, wenn es um Entscheidungen geht. Natürlich kann man sich auch an Freunden orientieren, solange man nicht seine Interessen hintanstellt. Was ich aber hintanstellen kann: viel Geld. Das ist für mich kein Entscheidungsgrund bei der Jobwahl. " (set)

* Alle Porträtierten sind an der Vienna Business School.