Proteste in Tel Aviv.

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Jerusalem – Die Koalitionsverhandlungen in Israel nach der Parlamentswahl im April entwickeln sich dramatisch. Zwei Tage vor Ablauf der Frist für Regierungschef Benjamin Netanyahu, eine neue Regierung zu bilden, hat ein Mitglied seiner rechtskonservativen Likud-Partei einen Antrag auf Auflösung des Parlaments gestellt. Über den Antrag sollte am Montag in erster Lesung abgestimmt werden.

Die Frist für die Regierungsbildung läuft am späten Mittwoch ab. Die Koalitionsverhandlungen kommen bisher nicht voran. Israel hatte am 9. April ein neues Parlament gewählt. Der Likud erhielt 35 von 120 Sitzen im Parlament, genau so viele wie das Oppositionsbündnis der Mitte des Ex-Militärchefs Benny Gantz, Blau-Weiß. Insgesamt hat das Lager rechter und religiöser Parteien eine Mehrheit. Jedoch streiten die möglichen Koalitionspartner des Likuds vor allem über ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten soll.

Laut Ofer Kenig, Wissenschaftler vom Israelischen Demokratie-Institut (IDI), müsste nach Verstreichen der Frist für Netanyahu normalerweise ein anderer Kandidat mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Dies müsse nicht Gantz sein, es könne auch ein anderes Likud-Mitglied sein.

Allerdings erlaube das Gesetz dem Parlament auch, "den Prozess zur Regierungsbildung zu unterbrechen und vorgezogene Wahlen auszurufen". Dafür brauche es eine Mehrheit von 61 Stimmen im Parlament – in drei Abstimmungen.

Wahlen im Herbst möglich

Sollte die Regierung eine Mehrheit in der ersten Lesung erhalten, werde es vermutlich am Mittwoch die zweite und dritte Lesung geben. Die Wahlen müssten rund drei Monate nach Auflösung der Knesset stattfinden – also Ende August, Anfang September, sagte Kenig.

Am Samstag hatten Zehntausende Menschen in Tel Aviv gegen Netanyahu und einen befürchteten Umbau des Justizsystems demonstriert. Mit der Justizreform will sich der Regierungschef nach Medienberichten einer Strafverfolgung in drei Korruptionsfällen entziehen. (APA, 27.5.2019)