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Die im März gewählte Präsidentin Zuzana Čaputová darf nach der Parlamentswahl im März 2020 auf Unterstützung im Nationalrat hoffen.

Foto: Reuters / David W Cerny

In der Slowakei zeichnet sich mit der Wahl zum Europäischen Parlament eine nachhaltige Veränderung der politischen Landschaft ab. Erst Ende März war die 45-jährige Bürgerrechtsanwältin Zuzana Čaputová, eine zuvor noch weitgehend unbekannte Newcomerin, zur Staatspräsidentin gewählt worden. Bei der EU-Wahl am Samstag kam nun die gemeinsame Liste aus ihrer Partei Progressive Slowakei (PS) und der liberalen Partei Spolu (Gemeinsam) aus dem Stand auf 20 Prozent der Wählerstimmen – und damit auf Platz eins. Erstaunlich daran: Beide Gruppierungen wurden erst im Laufe der letzten beiden Jahre gegründet und sind im slowakischen Parlament noch gar nicht vertreten.

Viele hatten Čaputovás Wahlerfolg mit ihrem unaufgeregten, sachlichen Auftreten in Zusammenhang gebracht, was in der aufgeheizten Atmosphäre nach dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak im Februar des Vorjahres viele Sympathien weckte. Doch wie sich nun zeigt, ist der Wunsch nach Veränderung im Land größer, als die sozialdemokratische, von Kritikern als linkspopulistisch bezeichnete Regierungspartei Smer gehofft hatte. "Ich bin stolz auf die Slowakei", postete Čaputová in der Nacht nach der Wahl auf Facebook. "Wir haben gezeigt, dass uns die Zukunft Europas nicht egal ist."

Gestiegene Wahlbeteiligung

Die designierte Präsidentin, die Mitte Juni ihr Amt antreten wird, spielte damit wohl nicht nur auf das gute Ergebnis für die proeuropäische, liberale Wahlliste ihrer Partei an, sondern auch auf die – für slowakische Verhältnisse – gute Wahlbeteiligung. Diese betrug zwar nur knapp 23 Prozent, was weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt; im Vergleich zur letzten EU-Wahl im Jahr 2014 ist das jedoch eine Steigerung von immerhin zehn Prozentpunkten. Kein Zweifel: Der Mord an Kuciak hat die Gesellschaft politisiert und dabei jenen Kräften Auftrieb gegeben, die sich für eine Erneuerung und eine noch klarere europäische Orientierung des EU- und Eurolandes starkmachen.

Zwar bekennt sich auch die regierende Smer von Expremier Robert Fico eindeutig zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Fico jedoch hat sich mit seiner restriktiven Rhetorik in der Flüchtlingspolitik und gegenüber kritischen Journalisten, die er einmal als "antislowakische Huren" bezeichnet hat, im liberalen, EU-freundlichen Wählersegment zuletzt kaum Freunde gemacht. Auch die Berichte über Verbindungen des organisierten Verbrechens in höchste Regierungskreise, zu denen der Journalist Ján Kuciak recherchiert hatte und die nach dessen Ermordung ans Tageslicht gekommen waren, sorgten für heftige Kritik an der Smer.

Rückschlag für Regierungsparteien

Der neue Premierminister Peter Pellegrini, der nach dem Rücktritt von Fico als Premier die Regierungsgeschäfte übernahm, konnte an dem Negativ-Image der Partei letztlich nicht viel ändern – wohl auch deshalb, weil Fico vorgeworfen wird, als Parteichef im Hintergrund weiter die Fäden zu ziehen. Smer landete mit etwas mehr als 15 Prozent entgegen allen Umfragen klar Abgeschlagen auf Platz zwei. Die beiden Koalitionspartner der Smer, die liberale slowakisch-ungarische Partei Most-Híd und die rechtsnationale Slowakische Nationalpartei (SNS), schafften den Einzug ins Europäische Parlament nicht. Einen Erfolg verzeichnete jedoch die rechtsextreme Volkspartei Unsere Slowakei (ĽSNS) von Marian Kotleba: Sie erreichte bei der EU-Wahl mehr als zwölf Prozent der Stimmen und kam damit auf Platz drei.

Nun beginnen in der Slowakei bereits die Spekulationen über die Bündelung von Kräften vor der Parlamentswahl, die voraussichtlich im März 2020 stattfindet. Čaputovás Progressive Slowakei und die Partei Spolu haben bereits angekündigt, wieder gemeinsam antreten zu wollen. Beide haben außerdem den scheidenden Staatspräsidenten Andrej Kiska aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Dieser ist parteilos, gilt aber als klarer Kritiker der Smer-Regierung. Ob er nach seinem Abgang aus dem höchsten Staatsamt dafür zur Verfügung steht, bleibt vorerst jedoch offen: Kiska hat bereits früher angekündigt, eine eigene Partei gründen zu wollen. Die Einheit im liberalen, proeuropäischen Teil des politischen Spektrums, sie könnte also von kurzer Dauer sein. (Gerald Schubert, 27.5.2019)