Dunkle und trübe Säfte zu trinken ist eine Überwindung. Selbst wenn es gut schmeckt.

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Karin Pollack beschäftigt sich beruflich mit Gesundheit. Manchmal testet sie Produkte, die mehr Wohlbefinden versprechen, und schreibt darüber.

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Ich sage es geradeheraus: Es gibt Dinge, die mache ich aus komplett irrationalen Gründen. Das passierte unlängst, als ein Paket in der Gesundheitsredaktion landete, das einen neuen Algendrink enthielt. Zwei kleine Flaschen und eine große. Warum nicht, fragte ich mich beim Lesen des Etiketts. Es ist ein Tonikum (das klingt gut), es enthält Vitamine (ich fühle mich manchmal wenig energiegeladen), und es reinigt (von schlechten Fantasien). Ich will wissen, ob man alle diese Stimmungen einfach runterschlucken kann. Samt Algen.

So irrational ging ich also in die Büroküche und mischte mir einen Drink. Da stand ich dann vor einer dunkelgrünen Suppe und konnte nicht anders, als an mein Lieblingsgedicht von Paul Celan zu denken:

"Schwarze Milch der Frühe, wir trinken sie abends, wir trinken sie mittags und morgens, wir trinken sie nachts."

Dunkle Brühe, schmeckt gut

Pathetisch und unpassend, sagte ich zu mir selbst, überwand aber meine Angst. Aber wie viel sind eigentlich 15 Milliliter oder 45 Milliliter? Der Messbecher fehlte, und auf der Verschlusskappe waren auch keine Mengenangaben. Also Daumen mal Pi, und fertig war ein Getränk, das wie eine Pfütze aussah. Ich überwand meinen Ekel und nahm einen Schluck. Erstes Erstaunen. Schmeckte gut, erinnerte an einen Saft aus meiner Kindheit, der, glaube ich, Sanostol hieß und den wir in Grippezeiten verabreicht bekamen.

Für den Algensaft namens Algevit werden die Algen in der Steiermark gezüchtet. Insofern ist er also made in Austria und ein Mittel gegen Lifestyleleiden. Auf dem Beipackzettel steht, dass er innerlich reinigt, von Schlacken befreit – und vor allem Energie gibt. Ich weiß, es gibt keine Schlacken – außer vielleicht psychischen Schmutz. Aber vielleicht wollte ich es deshalb ausprobieren. Sprich: die Flasche austrinken.

Tägliche Überwindung

Der überraschend gute Geschmack wird schnell zur Gewohnheit und das Glas schwarze Brühe jeden Tag mehr zur Hürde. Vor allem, wenn man es einmal nicht sofort runterschüttet, sieht es aus wie vermoostes Wasser, so wie in manchen Tümpeln. Und noch viel weniger attraktiv ist der Algendrink, wenn er warm und abgestanden ist.

Nach fast zwei Wochen konsequenter Testung kann ich nicht sagen, dass ich mich super energetisch fühle. Eher im Gegenteil, aber das könnte auch an der Regierungskrise liegen oder daran, dass mein Kollege gerade im Urlaub ist. Leider spüre ich nichts, wirklich nichts. Nicht einmal eine Placebowirkung. Ich werde die Flasche aber austrinken. Weil ich so wenigstens auf meine Flüssigkeitszufuhr komme. Sage ich mir. Wenn sich etwas Substanzielles ändert, melde ich mich wieder. (Karin Pollack, 2.6.2019)