Der zurückgetretene FPÖ-Chef wähnt sich selbst in Unschuld. Vor einer Woche präsentierte er sich in sozialen Medien als Opfer Krimineller.

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Im Gastkommentar fordert Alpbach-Geschäftsführer Philippe Narval strengere Regeln für die Finanzierung von Parteien und die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in Reformvorhaben.

Mir und vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes reicht's! Die FPÖ ist gerade sehr geschickt dabei, sich als Opfer einer Intrige zu inszenieren und davon abzulenken, dass ihr Parteichef bereit war, unser Land zu verraten.

Heinz-Christian Strache und Co versuchen mit allen Mitteln, die Aufmerksamkeit auf die hektische Suche nach den Leuten hinter dem Ibiza-Video zu lenken. So soll in den Hintergrund geraten, dass ein verdeckter Kameraeinsatz im Enthüllungsjournalismus zur Aufdeckung von Missständen oft und auch in diesem Fall zulässig ist. Ich bin den Journalisten der Süddeutschen Zeitung und des Spiegels dankbar, dass sie diesen Skandal ans Licht gebracht haben. Sie haben kriminelle Machenschaften und einen Angriff auf die Demokratie aufgedeckt. Darüber sollten wir in erster Linie sprechen und nicht, wer jetzt wirklich hinter dem Video steht und wer nicht. Das ist ein Nebenschauplatz, und es wird von einer unabhängigen Justiz und freien Medien auch aufgeklärt werden.

Keine Bagatellen

Rufen wir uns noch mal die Essenz in Erinnerung. Der gewesene FPÖ-Chef war bereit, gegen Geld einer vermeintlichen russischen Oligarchin Einfluss in – wie Strache sagen würde – "unserer Heimat" zu sichern. Er war dazu bereit, die Arbeitsplätze von 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer österreichischen Baufirma aufs Spiel zu setzen. Er wollte Superreichen als Gegenleistung für illegale Parteispenden Steuererleichterungen geben. Das bedeutet weniger Steuergeld für Bildung, Gesundheitswesen oder Altersversorgung. Er machte klar, dass er zu den autoritären Populisten in Europa gehört, die so wie Viktor Orbán freie Medien ausschalten und unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Das sind keine Bagatellen. Das ist Verrat an den Bürgerinnen und Bürgern Österreichs, am Anstand und an unseren Werten. Strache hat dem Ansehen der Politik immens geschadet. Und natürlich ist die natürliche Reaktion darauf, sich mit Grausen davon abzuwenden. Das ist genau, wovon autoritär denkende Politiker träumen: Vertrau mir und misch dich nicht ein!

Strengere Regeln

Auch darf sich niemand wundern, wenn eine Mehrheit meint, dass man sich Einfluss auf die Politik einfach kaufen könne. Um dem entgegenzutreten, reichen reine Lippenbekenntnisse nicht mehr aus. Taten sind nötig!

Was ist zu tun: Es braucht jetzt strengere Regeln für die Finanzierung von Parteien. Die von dessen Präsidentin Margit Kraker vorgeschlagene Prüfung von Parteifinanzen durch den Rechnungshof ist dringend notwendig. Die transparente Offenlegung aller Parteispenden muss, ebenso wie das Verbot von Großspenden, endlich umgesetzt werden. In Österreich gibt es eine der höchsten Parteienförderungen durch Steuergeld in Europa, das sollte genügen.

Skandal ernsthaft aufarbeiten

Zweitens: Wir müssen politischer Apathie entgegenwirken und bei wichtigen Reformvorhaben die Bürgerinnen und Bürger einbinden. Viel zu viele Wählerinnen und Wähler haben schon lange das Gefühl, dass organisierte Lobbys und Interessengruppen größeren Einfluss auf Entscheidungsprozesse haben als sie mit ihrer Stimme. Als in Irland nach der Finanzkrise 2008 das Vertrauen in das politische System bei null lag, bekamen Bürgerräte eine Chance. Deren Empfehlungen zu zentralen Themen wie dem Kampf gegen die Klimakrise gingen viel weiter, als je vermutet worden war.

Eine halbherzige Aufarbeitung des Ibiza-Video-Skandals ist das Letzte, was wir jetzt brauchen. Ich erwarte mir von allen demokratisch gesinnten politischen Kräften rasch Taten, die eine transparente Parteienfinanzierung und offene Gesetzgebungsprozesse ohne Einflussnahme im Hintergrund sicherstellen. (Philippe Narval, 28.5.2019)