Gleich am ersten Tag nach den Wahlen ging zwischen Parteien und Regierungen der EU-Staaten das Gerangel um die besten Plätze in den EU-Institutionen los. Den Anfang machte Staatspräsident Emmanuel Macron. Er wolle bei der Nominierung des Präsidenten der EU-Kommission freie Hand, ließ der Franzose wissen.

Das "Modell Spitzenkandidat", nach dem der Wahlsieger ersten Anspruch habe, ein "EU-Regierungsprogramm" zu erstellen und Koalitionen zu suchen, interessiere ihn nicht. Macron will den Deutschen Manfred Weber verhindern, und den Niederländer Frans Timmermans gleich dazu.

Ob ihm das gelingt, wird man sehen. Die großen Fraktionen im EU-Parlament wollen sich das nicht bieten lassen. Ein Machtkampf nicht nur um Posten, sondern auch inhaltlich um die künftige EU-Politik der nächsten Jahre. Dabei geht es auch um viel Geld. Ab Herbst wird der EU-Austritt Großbritanniens schlagend. Davon hängt ab, wie die EU-27 ihre Lasten im Budgetrahmen bis 2027 verteilen.

Turbulente Umbauzeiten

Über all das und mehr wird in den kommenden Wochen und Monaten in Brüssel, Straßburg, den Hauptstädten verhandelt, gedealt, gestritten, bis es kracht. Vor allem kleine Staaten, die nicht so mächtig sind wie Frankreich, tun gut daran, sich zu wappnen, um ihre Interessen gut wahren zu können. Dass das am besten gelingt, wenn man zu Hause eine politisch stabile Regierung hat, wenn ein Premier und seine Minister bewährte Kontakte zu Parteien und befreundeten Ländern für Deals nutzen, liegt auf der Hand.

Das gelingt nicht immer. Unerwartete Neuwahlen stehen in der EU oft an. Irgendwo wird immer gewählt. Aber wenn das passiert, bemüht man sich in den meisten Ländern, mittels Übergangsregierung die Kontinuität zu halten. Das war der Grund, warum Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Entfernung der FPÖ-Minister aus dem Kabinett Sebastian Kurz darauf drängte, dass die umgebildete Regierung bis zur Wahl weitermachen sollte.

Der Nationalrat hat das nun anders gesehen. Das verschafft der Opposition Erleichterung. Ob es auch für die Interessen Österreichs in turbulenten Umbauzeiten im gemeinsamen Europa von Vorteil ist, darf aber bezweifelt werden. Natürlich werden Beamte und Experten das Kabinett gut verwalten. Aber man sollte nicht von ihnen erwarten, dass sie im Powerplay der EU-Partnerregierungen allzu viel durchsetzen werden. Dafür braucht man Politiker mit viel Erfahrung, braucht man Härte – wie Macron und Co. (Thomas Mayer, 27.5.2019)