MyBioma liefert aufgrund eines automatischen Auswertungsprozesses, der aus den Ergebnissen der Genuntersuchungen generiert wird, individuelle Risikoeinschätzungen und Ernährungstipps per App oder E-Mail.

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"Wir haben etwa allein 20 Bakterien charakterisiert, die in Verbindung mit der Darmschleimhaut stehen und ihre Funktion positiv oder negativ beeinflussen können", sagt die Biochemikerin Barbara Sladek, Mitgründerin von myBioma.

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Mediziner Nikolaus Gasche ist Mitgründer von myBioma. "Wir wollen jedem Menschen die Möglichkeit geben, das eigene Mikrobiom zu entdecken", sagt er über das Projekt.

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Die Erforschung der Mikroorganismen im Darm hat seit Jahren Hochkonjunktur. Mittlerweile ist klar, dass 100 Milliarden Bakterien hier nicht nur die Verdauung managen, sondern auch in vielerlei anderer Hinsicht auf Gesundheit und Wohlbefinden einwirken. Beispielsweise sollen Zusammenhänge mit Störungen des Immun- und des Herz-Kreislauf-Systems und selbst mit Depressionen bestehen.

Dank Genanalytik können Stämme und Häufigkeit der Mikroorganismen heute genau bestimmt werden. Unternehmen, die derartige Bestimmungen samt entsprechender Interpretationen direkt für Endverbraucher anbieten, werden mehr.

Das wohl jüngste dieser Unternehmen kommt aus Österreich. Das in Langenzersdorf ansässige Start-up myBioma startete im März mit ersten Auswertungen. Die Gründer, die Oxford-geschulte Biochemikerin Barbara Sladek und der Mediziner Nikolaus Gasche, haben einen automatischen Auswertungsprozess entworfen, der aus den Ergebnissen der Genuntersuchungen individuelle Risikoeinschätzungen und Ernährungstipps per App oder E-Mail liefert. Unterstützt wird das Unternehmen vom Hochschulinkubator der FH Technikum Wien und vom Gründerservice Accent.

Körperliche Auswirkungen

Die beiden Gründer haben ein Analyse-Kit entwickelt, mit dem Kunden eine Stuhlprobe entnehmen, konservieren und per Post übermitteln können. Die Gensequenzierung der darin vorhandenen Mikroorganismen erfolgt in einem Labor der Med-Uni Wien. "Wir bekommen pro Analyse etwa acht bis zehn Gigabyte an genetischen Daten, die wir bioinformatisch auswerten und in einen Bericht verwandeln", sagt Gasche.

Jedes Darmmikrobiom weist ein individuelles Gleichgewicht auf, das durch Ernährung, Lebensweise oder Medikamente beeinflusst werden kann. Sladek und Gasche haben eine Datenbank aufgebaut, in der sie laufend neue Studien zu Assoziationen zwischen Darmmikrobiom und körperlichen Auswirkungen einpflegen und so einer automatisierten Verwertung zugänglich machen.

Klagt ein Patient über Beschwerden wie Verstopfung oder Durchfall, könnte das beispielsweise an einer entzündeten Darmschleimhaut liegen. Sie ist einer von 17 Parametern, die in der Auswertung von myBioma gemeinsam mit Risikofaktoren und Verbesserungsvorschlägen aufgelistet sind, andere betreffen die Diversität des Mikrobioms oder Auswirkungen auf Leber, Niere oder Herz-Kreislauf-System.

Entzündungshemmende Nahrungsmittel

"Wir haben etwa allein 20 Bakterien charakterisiert, die in Verbindung mit der Darmschleimhaut stehen und ihre Funktion positiv oder negativ beeinflussen können", erläutert Sladek. "Ist ein großer Anteil davon in zu hohem oder zu niedrigem Ausmaß vorhanden, könnte eine Disbalance vorliegen."

In diesem Fall könnte ein Ernährungstipp der App etwa lauten, mehr Kurkuma oder andere entzündungshemmende Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Kommen neue wissenschaftliche Erkenntnisse hinzu, wird die Auswertung in der App entsprechend aktualisiert.

Auch wenn bereits viele Studien zum Darmmikrobiom verfügbar sind, stehen die Forschungen hier noch weitgehend am Anfang. Im deutschen Ärzteblatt kritisierten Gastroenterologen vor kurzem etwa, dass die wissenschaftlichen Grundlagen für derartige Auswertungen noch nicht ausreichen würden. Den Gang zum Arzt bei Beschwerden soll die App aber ohnehin nicht ersetzen. "Wir wollen eine Brücke zwischen Wissenschaft, Medizin und Endverbraucher schlagen", sagt Sladek.

Die Gründer nennen myBioma ein "wissenschaftliches Lifestyleprodukt", wollen es aber in Richtung Medizinprodukt weiterentwickeln. Die Auswertung soll ausgebaut, Kunden in ganz Europa gewonnen werden. Gasche: "Wir wollen jedem Menschen die Möglichkeit geben, das eigene Mikrobiom zu entdecken." (Alois Pumhösel, 31.5.2019)