Bernadette Simana ist eine Frau der Tat. Eine Frau, die nicht lockerlässt. Über zehn Jahre ist es her, dass es mit ihrem früheren Job bei einer Bank zu Ende ging und die Namibierin das Thema Solarenergie für sich entdeckt hat.

"Ich wusste: Das ist es! Ich habe gefühlt, dass das die richtige Sache für mich ist", sagt sie heute, ganz im Ton einer Start-up-Entrepreneurin. Seit damals nutzt sie jede Gelegenheit, sich zu diesem Thema weiterzubilden und ein Geschäft daraus zu machen.

Im südlichen Afrika ist das einfacher gesagt als getan. Das Know-how ist nicht leicht verfügbar. Zudem sind potenzielle Kunden durchaus skeptisch, was diese Technologie angeht. Wasser erwärmen, einfach nur mit der Kraft der Sonne? Warum denn, wenn doch alles mit Strom läuft?

Bernadette Simana (rechts) mit der Familie von Elris Dausas in Windhoek.
Foto: Pumhösel

Solarenergie für Warmwasser

Dass die Elektrizität im Land knapp ist und zu einem großen Teil aus Nachbarländern, allen voran Südafrika, importiert wird, ist eine andere Geschichte. Es ist geradezu ein energietechnischer Irrwitz, dass – und das gilt für weite Teile des südlichen Afrikas – Wärme aus elektrischem Strom umgesetzt wird, der selbst wiederum in schmutzigen und veralteten Kohlekraftwerken erzeugt wird. Eine ineffizientere Vorgangsweise ist kaum vorstellbar.

Simana installiert nun mit sieben Mitarbeitern seit einigen Jahren Solarthermie-Anlagen, die der Warmwasserbereitung dienen. Sie steht selbst im blauen Overall auf der Baustelle. "Ich versuche, weniger zu reden, dafür mehr Dinge zu machen", sagt die Gründerin, durchaus mit Seitenhieb auf männliche Kollegen hier, die die Sache angeblich andersherum angehen. Und dann ist da noch die Bürokratie. Viel Bürokratie. "Man muss sich durch das System kämpfen", sagt Simana.

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Im Süden Afrika geht die Sonne viel zu oft unter, ohne solartechnisch genutzt worden zu sein. In den Ländern, wo Wasser mit Strom erwärmt wird, würde Solarthermie Sinn machen.
Foto: Getty Images / David Callan

Am Stadtrand von Windhoek

An diesem Freitag im Mai wartet Simana in einem Arbeiterviertel am Rande der namibischen Hauptstadt Windhoek auf den angesagten Besuch. Zumeist umzäunte Einfamilienhäuser mit jeweils etwa 50 Quadratmeter Grundfläche stehen hier in Reih und Glied. In 62 davon hat Simana Solarthermieanlagen eingebaut, anstelle der zuvor eingesetzten rein elektrischen Durchlauferhitzer.

Der Auftrag für die Nachrüstung kam erst zustande, nachdem schon mehrere Verhandlungen zur Ausstattung von Neubauten scheiterten. Zu groß sind noch Skepsis und anderslautende wirtschaftliche Interessen.

Zu Besuch kommen Simanas österreichische Partner vom Projekt Soltrain, gemeinsam mit Pressevertretern. Soltrain ist die Kurzform für die "Southern African Solar Thermal Training and Demonstration Initiative" und ein Projekt des Forschungsunternehmens AEE Intec aus Gleisdorf in der Steiermark, eines Mitglieds des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research ACR.

Wally Weber erklärt das Wits-Projekt zu Solarenergie. Video: Soltrain
AEE INTEC

Wissensvermittlung und Förderungen

Im Zuge des Projekts werden Solarthermie-Projekte in Namibia, Botswana, Lesotho, Mosambik, Südafrika und Simbabwe unterstützt. Neben der Vermittlung theoretischen und praktischen Wissens werden lokale Unternehmen für erste Anlagen mit Förderungen im Rahmen von 30 bis 50 Prozent der Errichtungskosten unterstützt.

Im Vergleich zu Photovoltaik-Paneelen, die elektrischen Strom erzeugen, ist die Warmwasserbereitung durch Solarthermie die günstigere, einfachere und – für thermische Energie – eindeutig die effizientere Technologie. Die Finanzierung von Soltrain erfolgt über die Austrian Development Agency (ADA), die die österreichische Entwicklungszusammenarbeit abwickelt.

Auch Bernadette Simana standen die österreichischen Partner mit Ausbildung und technischer Hilfe zur Seite. "Interessanterweise läuft es hier oft besser, wenn Frauen die Projekte koordinieren", erzählt AEE-Intec-Geschäftsführer Werner Weiss, der Soltrain seit den Anfängen vor zehn Jahren betreut. Weiss ist einer der Pioniere der Solartechnologie in Österreich und auch bereits seit den 1990ern-Jahren in Projekten in Afrika involviert.

Die Gerberei Klein Karoo exportiert Lederwaren in alle Welt. In Sachen Solarthermie ist der Betrieb in Südafrika nun ein Pionier.
Foto: Soltrain

Stromrechnung halbiert

Mithilfe von Simanas Installationen, die nicht weit von einer "Grazstrasse" im traditionell deutschlastigen Windhoek liegen, betreibt die AEE Intec auch ein Monitoring-Projekt, das in Zusammenarbeit mit lokalen Universitäten das nahtlose Funktionieren und die Energieersparnis verfolgt.

Elris Dausas, eine angehende Krankenschwester, die hier mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt und seit 2016 eine Solarthermieanlage nutzt, betont, dass die monatliche Stromrechnung von 500 auf 200 Namibische Dollar, also umgerechnet von etwa 30 Euro auf zwölf Euro geschrumpft sei. "Ich würde es jedem empfehlen", sagt Dausas, "denn hier scheint jeden Tag die Sonne."

Tatsächlich verwundert es, dass sich in einer Weltgegend mit derart hoher Sonneneinstrahlung die Solartechnologien bisher nicht stärker durchsetzen konnten. In Österreich und Europa, wo man mit den gleichen Kollektoren durchschnittlich nur weniger als die Hälfte an Energie umsetzen kann, sind die Technologien dagegen eine Selbstverständlichkeit.

Ein weiteres Projekt von Soltrain im Porträt. Video: Soltrain
AEE INTEC

Aufholbedarf

Mehrere Gründe sind für den Aufholbedarf verantwortlich. Zum einen gibt es große Steinkohlevorkommen und eine stark verankerte Bergbautradition. "Abseits von ein paar Wasserkraftwerken ist das südliche Afrika von den Kohlekraftwerken Südafrikas dominiert", sagt Weiss.

Die Kraftwerke sind – dank Korruption und Überschuldung – aber alles andere als auf dem neuesten Stand. "In den vergangenen Jahrzehnten ist in diesem Feld kaum mehr als Instandhaltung passiert." Das Ergebnis: ungeheure Emissionen, Gegenden mit den weltweit höchsten Luftverschmutzungswerten – und dennoch immer wieder spontane Stromabschaltungen durch die staatlichen Energieversorger.

Zum anderen wurden in den vergangenen Jahrzehnten die lokalen Märkte mit billigen und qualitativ minderwertigen Technologien geflutet. Die sprichwörtliche "Billigware aus China" zeigt langfristig Folgen. Weiss verweist auf die Anlage auf einem Krankenhaus in Windhoek, die mutmaßlich niemals funktioniert habe – was den Betreibern wohl nicht einmal aufgefallen sei.

Vernetzung auf lokaler Ebene

Im Bewusstsein der Leute setzt sich angesichts der oft nur kurzfristig Energie liefernden Anlagen tendenziell die Meinung durch: Solarenergie funktioniert nicht. Das ist ein harter Kontrast zu Europa, wo man selbstverständlich davon ausgeht, eine Solarthermieanlage mindestens 20 Jahre lang betreiben zu können.

Letztlich fehlt es auch am Know-how lokaler Firmen, die Kollektoren nicht nur sachgemäß installieren, sondern auch langfristig warten sollten. Das ist auch einer der wesentlichen Ansatzpunkte der Entwicklungszusammenarbeit in Soltrain.

"Wir suchen uns Leute und Betriebe, die sich schon mit dem Thema beschäftigt haben", erklärt Weiss die Vorgangsweise. Interessierte in Unternehmen und lokalen Universitäten werden vernetzt. Alle gemeinsam kommen zu Schulungen, die auf ein Wissensniveau abzielen, das es erlaubt, eigenständig Installationen umzusetzen und auch selbstständig Trainings für weitere Interessierte durchzuführen.

Die Wits University in Johannesburg ziert seit 2018 eine "der beiden größten thermischen Solaranlagen südlich der Sahara".
Foto: Soltrain

Schritt für Schritt

"Wenn die Firmen so weit sind, müssen sie einen Kunden für eine erste Anlage finden", betont der Soltrain-Leiter. Planung und Umsetzung dieser Projekte erfolgt bereits selbstständig, wird aber von den österreichischen Partnern noch kontrolliert und begleitet. Weiss: "Wir holen die Unternehmen dort ab, wo sie sind, und fangen gegebenenfalls mit kleinen Zwei-Quadratmeter-Anlagen an. Wenn das funktioniert und Interesse besteht, kann dann etwas Größeres folgen."

In allen sechs beteiligten Ländern gibt es Projekte dieser Art. In Südafrika ist man dabei schon bei verhältnismäßig großen Projekten angelangt. In Johannesburg haben die ansässigen Unternehmer Hennig Holm und Wally Weber auf dem Dach der großen University of the Witwatersrand (Wits) eine Anlage mit über 550 Quadratmeter Kollektorfläche errichtet, die Studentenwohnungen in 14 Gebäuden mit Warmwasser und Heizenergie versorgt.

Der Weg in Richtung eines Projekts dieser Größe sei lang gewesen, lässt Holm, der mit seinem Partner sicher zu den Idealisten der örtlichen Szene gehört, durchblicken. "Wir haben uns früher oft die Finger verbrannt. Früher haben wir einfach Kollektoren in die Sonne gestellt. Eine gute technische Lösung zu finden ist aber ein ganz anderes Thema."

Es sei anfangs zudem schwer gewesen, technisch versierte Mitarbeiter zu finden. Über Jahre hinweg habe man sich ein Netzwerk aus über 60 Unternehmen aufgebaut, mit denen man nun zusammenarbeitet. Dass der Strompreis zuletzt stark anzog, hat natürlich auch geholfen, Kunden zu überreden, sich als Erstes in ein Solarprojekt zu wagen. Abzuwarten bleibt, wie sich die soeben beschlossene CO2-Steuer in Südafrika auswirken wird.

Speicher, Rohre und Wärmetäuscher für die großen Solarthermie-Projekte wurden – mit Unterstützung von Soltrain – von lokalen Unternehmen gefertigt.
Foto: Soltrain

Lokale Fertigung

Bei großen Projekten wie jenem an der Wits University, die nicht nur individuelle Installation, sondern auch maßgeschneiderte Anfertigungen benötigen, wird auch auf lokale Fertigung zurückgegriffen. Die großen 20.000-Liter-Tanks, Rohre und Wärmetauscher konnten vor Ort produziert werden.

Die Kollektoren in Spezialgröße stammen dagegen von einem österreichischen Unternehmen – wobei Weiss betont, dass diese Wahl den Projektpartnern völlig freistand. Lange sei etwa eine australische Variante im Gespräch gewesen. "Würden wir als Vorboten wirtschaftlicher Interessen wahrgenommen werden, dann würden wir hier nicht ernst genommen", betont Weiss.

Ein Projekt, das in Dimension und Vorgangsweise jenem an der Wits University gleicht, wurde ganz im Süden des Landes umgesetzt. Die industrielle Gerberei Klein Karoo International produziert nun per Solarthermie die Prozesswärme für die Herstellung ihrer Lederwaren. Laut Weiss sind diese beiden Standorte – die im Mai auch vom österreichischen Botschafter in Südafrika feierlich eröffnet wurden – nun die "beiden größten thermischen Solaranlagen südlich der Sahara".

Große Pläne

Die Projektpartner aus Österreich und Afrika blickten im Rahmen einer Konferenz in Johannesburg auf die vergangene dritte Projektphase zurück. Die kommende vierte Phase wird von der ADA finanziert und könnte große Anlagen wie jene an der Wits University auch in weiteren Staaten folgen lassen.

Ein weiteres heißes Thema sind zudem Kühlanlagen auf Basis von Solarthermie, also große integrierte Air-Conditioning-Konzepte, die in Hotels, Büroanlagen oder Krankenhäusern zur Anwendung kommen könnten. Ähnlich wie bei Gaskühlschränken dient die thermische Energie hier dem Betrieb von Absorptionskältemaschinen. "In diesem Bereich steht die Industrie noch am Anfang. Weltweit gibt es erst wenige Hundert Projekte", sagt Weiss. Mit zunehmendem Klimawandel könnte auch diese Variante an Bedeutung gewinnen – nicht nur in Afrika.

Der Campus der Wits University in Johannesburg aus der Vogelperspektive: An die 600 Quadratmeter Kollektorfläche ersetzen elektrische Systeme für Heizung und Warmwasser für Tausende Studierende.
Foto: Soltrain

Trainings und Stipendien

Im Zuge von Soltrain wurden bisher über 100 Trainingskurse mit tausenden Teilnehmern veranstaltet. Gemeinsam mit der Stellenbosch University in Südafrika wurden einschlägige Forschungsstipendien vergeben. 326 Anlagen sind in den sechs teilnehmenden Ländern seit 2009 entstanden – in Metropolen wie Johannesburg und an Orten, die Weiss, wie er erzählt, nur per Kanu erreichen konnte. Ein breiteres und länderweites Ausrollen der Technologie kann das Projekt dabei aber nicht leisten.

Gemeinsam mit den beteiligten Energieministerien wurden immerhin Roadmaps erstellt, die Entwicklung und Ausbildungsstrategien festlegen. Programme, um die Technologien auf breiter Basis umzusetzen, sollen vom SADC Centre for Renewable Energy and Energy Efficiency erarbeitet werden.

Die südafrikanische Entwicklungsagentur, die ADA und die UN-Agentur Unido kooperieren dabei mit Partnerstaaten in Afrika. Direktor Kudakwashe Ndhlukula ist zuversichtlich, dass Solarthermie schnell eine große Rolle spielen kann. "Technologie und Finanzierung sind grundsätzlich verfügbar. Nicht nur die Regierungen, auch der private Sektor ist zunehmend interessiert. Jetzt ist die richtige Zeit dazu."

Mit dem mobilen Solar Trailer lernen Berufschüler die richtige Installation.
Foto: Pumhösel

Solar-Sozialbau

Gerade in Namibia ist etwa die öffentliche Hand aufgeschlossen gegenüber der Adaptierung von Technologien für erneuerbare Energie. Am liebsten würde man die Solarthermieanlagen vor Ort herstellen. Doch die Etablierung lokaler Produktionen und Lieferketten – letztendlich das Ziel guter Know-how-Vermittlung – ist schwierig.

Dafür braucht es ein ausgeprägtes Ökosystem an Unternehmen und Ausbildungsstätten. Die Nachfrage muss groß genug sein. Mit den Soltrain-Partnern werden Möglichkeiten erörtert, wie man günstige Anlagen in tausendfacher Ausfertigung für die lokalen Housing-Projekte fertigen könnte.

Natürlich ist auch Bernadette Simana in dieser Sache hochmotiviert. Auch sie möchte in die Fertigung einsteigen. Ihr Ziel: Zumindest ein Ersatzteil ihrer kleinen Hausanlagen möchte sie selbst herstellen. Fraglos wird Simana in der Solarszene Namibias noch eine gewichtige Rolle spielen. (Alois Pumhösel, 2.6.2019)