Im vorläufigen Endergebnis inklusive Wahlkarten kommen die Freiheitlichen auf 17,2 Prozent der Stimmen. Das ist deutlich schwächer als die prognostizierten Umfragen (22 bis 24 Prozent) und liegt 2,5 Prozentpunkte unter dem Ergebnis des Jahres 2014. Gleichzeitig haben aufgrund der gestiegenen Wahlbeteiligung in absoluten Zahlen diesmal mehr Menschen die FPÖ gewählt als bei der letzten EU-Wahl (650.114 Personen im Jahr 2019 gegenüber 556.835 Personen im Jahr 2014, Europawahl 2019). Bei der Nationalratswahl 2017 schnitt die FPÖ mit 26 Prozent deutlich besser ab. So weit die Faktenlage.

Vielfach war befürchtet worden, dass das Ibiza-Video das für Demokratien wichtige Vertrauen der Menschen in die Politik erschüttern würde. Die Wahltagsbefragungen der Institute Sora und Isa im Auftrag des ORF liefern dazu nun ein erstes repräsentatives Stimmungsbild. Tatsächlich sagen fast 60 Prozent aller Befragten, dass ihr Vertrauen in das politische System Österreichs gelitten hat. Interessant ist, dass jene, die bei der FPÖ geblieben sind und ihre Stimme abgegeben haben, deutlich weniger in ihrem Vertrauen erschüttert wurden. Das mag möglicherweise mit der Kommunikation der FPÖ zusammenhängen, die zwar die Inhalte des Gesagten verurteilt, aber betont, dass es eine "bsoffene Gschicht" war.

Das Ibiza-Video war auch der Auslöser für das vorzeitige Ende der türkis-blauen Regierungskonstellation. Die EU-Wahltagsbefragung gibt ebenfalls Aufschluss, welchen subjektiven Einfluss die Regierungskrise auf das Wahlverhalten der Menschen hatte. Insgesamt zeigt sich, dass drei Viertel der Befragten nach eigener Einschätzung ihre EU-Wahlentscheidung unabhängig von der nationalen Regierungskrise getroffen haben. Bei den übrigen Menschen finden sich neu mobilisierte Personen, Demobilisierte und Wechselwählerinnen beziehungsweise -wähler zu etwa gleichen Teilen wieder.

Im Vergleich zur ÖVP-Wählerschaft gab jene der FPÖ verstärkt an, dass sie sich erst aufgrund der Regierungskrise entschlossen habe, zur Wahl zu gehen. Das passt in das bisherige Bild, dass FPÖ-Wählerinnen und -Wähler mit ihrer Stimme bei EU-Wahlen verstärkt auch innenpolitische Überlegungen miteinfließen lassen. Es mag auch erklären, warum die Mobilisierung der FPÖ-Wählerschaft 2019 ähnlich ist wie bei der letzten EU-Wahl 2014. Die Sora-Wählerstromanalysen zeigen, dass rund 65 Prozent der FPÖ-Wählerinnen und -Wähler des Jahres 2014 bereits bei der Wahl 2009 blau gewählt hatten. Bei der aktuellen Wahl liegt diese Behalterate bei 69 Prozent. Der andere mögliche Effekt, dass man sich aufgrund der Regierungskrise für die FPÖ entschieden hat, ist hingegen kaum eingetreten. Diese Auswirkung sehen wir eher bei der SPÖ, den Neos und der ÖVP.

Ein Ausblick auf die kommenden Nationalratswahlen ist an dieser Stelle sehr schwierig. Während vor der EU-Wahl kaum Zeit blieb, die Ereignisse innerhalb der FPÖ und ihrer Anhängerschaft zu verarbeiten, ist bis zum September dafür noch Platz. Mit der Übergangsregierung gilt für den Nationalrat jedenfalls das freie Spiel der Kräfte, und unterschiedliche Mehrheiten können zu – auch unerwarteten – Beschlüssen führen. (Katrin Praprotnik, 28.5.2019)