Ein bezauberndes Echo auf die Rüst- und Wunderkammern der Renaissance: In Innsbruck sind Materialproben zu einer "totalen Installation" zu besichtigen

Foto: Kunstraum Innsbruck

Das Chaos gebiert Rache, Gier, Schmerz, Betrug, aber auch ein gewisses Vergnügen. Ähnlichkeiten mit aktuellen innenpolitischen Vorgängen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt, im Kunstraum Innsbruck werden archetypische Muster vielmehr an der mythologischen Wurzel gepackt: Vom "Apfelputzen der Hesperiden" bis zum "Pullover des Perseus" reicht das Repertoire einer irgendwo zwischen Wunderkammer, Bühnenbild und Mythenlabor angesiedelten "Totalen Installation" des Innsbrucker Kollektivs Experimental Setup.

Dahinter stehen die Künstler Kata Hinterlechner und Bosko Gastager, die ihr Tun als sinnlich-poetischen Gegenentwurf zum "übertheoretisierten" Kunstdiskurs verstehen. Eine solche Ansage lässt gleich einmal die Alarmglocken schrillen, das ungeniert unters Vergrößerungsglas gelegte Schöne in Gestalt von Blättern, Trockenblumen oder Federn ebenso. Und überhaupt bewegen sich Hinterlechner und Gastager mit ihren offensichtlichen Bezügen zu den Kunst- und Wunderkammern der Renaissance auf ziemlich ausgetretenen Pfaden. Doch die Art, wie sie sie in ein auf ständiger Veränderung beruhendes Gesamtkonzept einflechten, entpuppt sich als überaus reizvolle Angelegenheit.

Wabernde Projektionen

Eingangs erwähnte Schlagworte bilden den wöchentlich wechselnden Grundton für die als "Spieluhr" (Gastager) konzipierte Ausstellung, die immer wieder neu aufgezogen wird, etwa durch (musikalische) Performances von Künstlerkollegen.

Wer sie im Ruhezustand betritt, wähnt sich auf einer Performancebühne, deren Protagonisten sich gerade in die Mittagspause verabschiedet haben: Die Projektionen wabern noch suchend durch den Raum, die Kostüme lehnen leblos in der Ecke, zwei aufgeblasene Titanen in Arbeitsanzügen drängeln sich in einer Holzkiste. Drumherum ein wilder Mix – Assemblagen, Apparaturen, Skulpturen, klassische Porträts -, bei dem die Künstler jegliche individuelle Autorenschaft verweigern – aber, wie in der Eröffnungsperformance, gemeinsam lustvoll Farbeier in einem Bildkäfig explodieren lassen. Das Zeichnen besorgt derweil eine mittels Bewegungsmelder gesteuerte Apparatur.

Im Umbruch

So manche Einzelelemente, derer man sich bedient, mögen einem bekannt vorkommen, die Raffinesse liegt im fein austarierten Zusammenspiel. Dass mit der Schau auch gewohnte Ausstellungskonzepte unterwandert werden, passt im Übrigen nicht schlecht zur gegenwärtigen Lage des Kunstraums Innsbruck, wo momentan einiges im Umbruch begriffen ist. Nachdem sich der Vereinsvorstand und Kuratorin Karin Pernegger überworfen haben, kam es Anfang des Jahres zur vorzeitigen Vertragsauflösung. Die Suche nach einer neuen kuratorischen Leitung läuft. Bevor wieder ein eigenes Programm vorgestellt werden kann, wird im Juni die Ausstellung Über das Neue. Junge Szenen in Wien übernommen.
(Ivona Jelcic, 29.5.2019)