Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu rief zur Einigung in letzter Minute auf. Neuwahlen seien "unnötig, teuer und verschwenderisch".

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Das Pokerspiel um eine Koalitionsbildung in Israel geht in die letzte Runde: Mithilfe politischer Verbündeter, Drucks und guten Zuredens kämpft Premier Benjamin Netanjahu derzeit, um doch noch eine rechte Regierung auf die Beine zu stellen, bevor die Frist dafür am Mittwochabend ausläuft. So reichte sein Parteikollege Miki Zohar am Montag einen Entwurf zur Auflösung der Knesset ein, der noch am selben Abend die erste Lesung passierte. Die zweite und die dritte Lesung sollen am Mittwoch folgen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte Israels, dass es nach so kurzer Zeit Neuwahlen gibt.

Was zunächst aussah wie ein erster Schritt in Richtung Neuwahlen – als Datum genannt wurde der 17. September -, muss vor allem als Druckmittel von Netanjahus Likud-Partei gesehen werden, auf den letzten Drücker noch einen Kompromiss zu finden. Denn an Neuwahlen dürften nur die wenigsten Interesse haben.

Aus dem Finanzministerium hieß es am Dienstag, Neuwahlen könnten umgerechnet mehr als 123 Millionen Euro kosten – Geld, das nicht zur Verfügung stehe. Netanjahu rief dazu auf, "unnötige, teure und verschwenderische" Neuwahlen zu vermeiden. "Es gibt keinen einzigen Grund auf der Welt, das Land für weitere anderthalb Jahre zu lähmen und Milliarden zu verschwenden, wo die Lösung doch vor uns liegt." Die Streitpunkte seien nur "kosmetischer" und "semantischer" Natur.

Streit um Wehrpflicht

Grund für die schwierige Regierungsbildung ist der Streit um ein Gesetz, durch das mehr Ultraorthodoxe zum Armeedienst gezwungen werden sollen. Bisher sind sie vom Pflichtdienst ausgenommen, nun sollen Quoten eingeführt werden. Die beiden ultraorthodoxen Parteien Shas und Vereinigtes Torah-Judentum sind gegen den Wehrdienst, sie wollen das Gesetz abschwächen.

Avigdor Lieberman und seine säkulare, nationale Partei Unser Haus Israel hingegen wollen keine Veränderung des Entwurfs, der bereits im vergangenen Jahr die erste Lesung passierte. "Wir wollen Netanjahu nicht stürzen, und wir suchen keinen Alternativkandidaten, aber wir werden nicht unsere Prinzipien und unser Versprechen an die Bürger des Staates Israel aufgeben", schrieb Lieberman am Dienstag auf Twitter.

Mit dem Antrag auf Neuwahlen soll aber auch vermieden werden, dass Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß am Ende mit der Regierungsbildung beauftragt wird: Präsident Reuven Rivlin müsste nach Ablauf der Frist am Mittwochabend nämlich einen neuen Kandidaten für diese Aufgabe finden. Für Gantz stehen die Chancen allerdings schlecht, eine Mehrheit zustande zu bringen.

Netanjahu versuchte parallel, eine Lösung ohne Lieberman zu finden: Berichten zufolge bearbeiteten seine Verbündeten den Knesset-Neuling Gadi Yevarkan vom Bündnis Blau-Weiß, die Seiten zu wechseln und sich der neuen Regierung anzuschließen. Dieser hat jedoch erklärt, das Angebot nicht annehmen zu wollen.

Indes gab das Weiße Haus am Dienstag bekannt, dass Jared Kushner, Chefberater und Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, noch diese Woche in den Nahen Osten reist, um für Zustimmung zu seinem Friedensplan zu werben. In Israel wird Kushner am Donnerstag erwartet.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu rief zur Einigung in letzter Minute auf. Neuwahlen seien "unnötig, teuer und verschwenderisch". . (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 28.5.2019)