Mit Tottenham – Liverpool steigt am Samstagabend (21 Uhr im STANDARD-Ticker) das Finale einer denkwürdigen Champions-League-Saison. Unzählige k.o.-Duelle wurden in letzter Minute entschieden, aussichtslose Ausgangslagen führten zu historischen Aufholjagden. Angesichts der spektakulären Halbfinali fällt es leicht, zu vergessen, was die Runden davor an Gesprächsstoff boten. Ein Rückblick auf die neun spektakulärsten Spiele dieser Saison:

Real Madrid – Ajax Amsterdam 1:4 (Hinspiel 2:1, Achtelfinale)

Ajax hatte eine mehr als anständige Gruppenphase gespielt und die Bayern geärgert, wirklich ernst nahm die Niederländer vor dem Achtelfinale gegen Real Madrid aber kaum niemand. So ging es auch Sergio Ramos, der sich am Ende des durchaus glücklichen 2:1-Hinspielsiegs absichtlich eine Gelbe Karte abholte, um die Sperre im Rückspiel abzusitzen.

Und dann...nun ja, was der STANDARD schon vorher wusste, traf ein: Ajax legte los wie die Feuerwehr und hatte den Rückstand schon nach 18 Minuten mehr als wettgemacht. Dusan Tadic krönte das Spiel seines Lebens mit dem 3:0, Lasse Schöne vollendete das Kunstwerk der neuen niederländischen Schule mit seinem epochalen Freistoßtor in der 72. Minute. All das wohlgemerkt im Stadion des Gegners: Ajax war angekommen.

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Paris Saint-Germain – Manchester United 1:3 (Hinspiel 2:0, Achtelfinale)

Wer im Hinspiel klar überlegen ist und auswärts 2:0 gewinnt, sollte nicht mehr viel zu befürchten haben. PSG war in dieser wunderbaren Lage und hätte es sich auch noch leisten können, dass Verteidiger Thilo Kehrer United-Stürmer Romelo Lukaku in der zweiten Minute des Rückspiels erste Tor auflegte. PSG blieb seinem Konzept treu, dominierte die Partie und glich aus.

Auch als sich Gianluigi Buffon bei einem Weitschuss anschüttete und so das 1:2 ermöglichte (30.), waren die Pariser noch voll im Rennen. PSG blieb seinem Konzept weiter treu, dominierte die Partie – und Jungstar Kylian Mbappé stolperte auf dem Weg zum Ausgleich.

Die Gäste aus Manchester waren in der zweiten Halbzeit offensiv abwesend, obwohl sie ein Tor brauchten. Und dann, die 90. Minute: Ein Dalot-Weitschuss traf den Ellbogen von PSG-Verteidiger Kimpembe, der Video Assistant Referee hatte seinen ersten entscheidenden Auftritt in der Champions League: Damir Skomina, übrigens auch Schiedsrichter des Finales, sah sich die Szene noch einmal an und entschied auf Elfer. Marcus Rashford traf, PSG war 99 Spielminuten besser gewesen und trotzdem weg.

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Manchester City – Schalke 04 7:0 (Hinspiel 3:2, Achtelfinale)

Der Ausreißer in dieser Liste: Keine Spannung, aber ein 7:0 passiert auch nicht alle Tage. Schalkes Aussichtslage war dank zweier Zufallselfer im Hinspiel nicht völlig aussichtslos, Pep Guardiolas Team zeigte dem deutschen Vorjahres-Vizemeister im heimischen Etihad Stadium aber grausam die Grenzen auf. Von elf Torschüssen landeten sieben im Netz, sechs verschiedene Spieler trafen.

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Juventus Turin – Atletico Madrid 3:0 (Hinspiel 0:2, Achtelfinale)

Es gab mal eine Zeit, da konnte man eine 0:2-Hinspielniederlage nicht aufholen. Für Juventus Turin beispielsweise galt das auf internationaler Ebene seit jeher – bis zum 12. März. Da ging das Gerücht um, Cristiano Ronaldo hätte seinem inneren Kreis einen Hattrick angekündigt.

Und dann kam dieser Ronaldo, und traf, und traf, und traf noch einmal. Gegen die vermeintlich stabilste Defensive Europas, gegen Diego Simeone, der mit Atletico noch nie nach einem Hinspielsieg aus der Champions League geflogen war – und jetzt zusehen musste, wie sein Team genau das tat, ohne im Rückspiel einen Schuss aufs Tor zu bringen.

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Juventus Turin – Ajax Amsterdam 1:2 (Hinspiel 1:1, Viertelfinale)

Ajax stand auswärts unter Druck und lieferte bravourös ab – das kann einem bekannt vorkommen. Das abgebrühte Juventus hatte die Niederländer über weite Strecken besser unter Kontrolle als zuvor Real, kam nach dem Pausenstand von 1:1 in der zweiten Halbzeit aber immer stärker ins Schwimmen.

Juve-Goalie Wojciech Szczesny hielt sein Team mit zwei Glanzparaden im Spiel, also musste es eine Standardsituation richten. Matthijs de Ligt köpfelte das entscheidende 2:1, das Märchen von Ajax bekam sein nächstes Kapitel.

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Manchester City – Tottenham 4:3 (Hinspiel 0:1, Viertelfinale)

Manchester City war einer der großen Favoriten auf den Titel. Nach einem von gegenseitigem Belauern geprägten Hinspiel begann das Rückspiel schlicht absurd: Nach elf Minuten stand es 2:2, nach 21 Minuten 3:2 für City. Diese Rekorde brechende Anfangsphase war nicht der größte Aufreger der Partie: Sergio Agüero traf zum 4:2, Fernando Llorente glich nach einem Eckball mit Ellbogen und Hüfte aus – eine knappe Entscheidung, die auch nach Videostudium Bestand hatte.

City brauchte also wieder ein Tor und baute in der Schlussviertelstunde gewaltigen Druck auf – bis Raheem Sterling in der 93. Minute zum vermeintlichen 5:3 traf. Die Fans des Heimteams waren wie der katalanische Startrainer in Ekstase, bis der VAR einschritt – dem Tor war ein in Echtzeit kaum zu sehendes Abseits vorhergegangen. Also doch nur 4:3, also doch Tottenham im Halbfinale.

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FC Barcelona – FC Liverpool 3:0 (Halbfinal-Hinspiel)

Liverpool spielte beim Hinspiel in Barcelona brav mit, die Tore machten aber die anderen. Lionel Messi traf zwei Mal, sein Freistoß ins Kreuzeck war einer für die Galerie. Liverpool hatte Pech, ohne Auswärtstor zurück nach England zu müssen, für Barca ließ Ousmane Dembélé in der 96. Minute eine Großchance auf das 4:0 aus. Aber was macht das schon für einen Unterschied – richtig?

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FC Liverpool – FC Barcelona 4:0 (Hinspiel 0:3, Halbfinale)

Wäre die Anfield Road nicht schon ein magischer Ort gewesen, spätestens diese Nacht hätte dafür gesorgt. Barca ließ in der ersten Halbzeit einige Topchancen auf das wohl vorentscheidende Auswärtstor aus, Liverpool gelang vor der Pause in Person von Divock Origi aber auch nur ein Tor (7.).

Nach Wiederanpfiff kippte die Partie: Georginio Wijnaldum traf binnen dreier Minuten zwei Mal (54., 56.), Barca wankte auf die Verlängerung zu. Bis Trent Alexander-Arnold die schläfrigen Katalanen bei einem Eckball überlistete und Origi vollendete (79.). Liverpool blieb souverän und hatte das Unmögliche vollbracht. Die spanische "Marca" diagnostizierte "eine historische Blamage", die "Times" schrieb von der "großartigsten Nacht in Anfields europäischer Geschichte".

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Ajax Amsterdam – Tottenham Hotspur 2:3 (Hinspiel 1:0, Halbfinale)

Ajax konnte also doch auch Hinspiele gewinnen. Mit dem in Nordlondon errungenen 1:0 im Rücken wirbelten die Niederländer auch vor heimischem Publikum und gingen mit dem Gesamtscore von 3:0 in die Pause. Tottenham musste für Inspiration nur an den Vortag denken, brauchte dafür wohl auch keine STANDARD-Ansichtssache.

Lucas Moura brachte mit seinen ersten zwei Toren (55., 59.) die Spannung zurück, das entscheidende dritte Tor wollte im Anschluss partout nicht gelingen. Aber auch Ajax setzte Matchbälle am Tor vorbei, einen davon sogar an die Stange – und wurde in der 96. Minute dafür bestraft. In dieser traf Moura nach einem weitergeleiteten hohen Verzweiflungsball genau ins Eck und stieg zur Tottenham-Legende auf. (schau, 31.5.2019)

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