Robert Pattinson (33), geboren in London, wurde durch die Verfilmung der "Twilight"-Saga zum Weltstar. Demnächst wird er die Hauptrolle im neuen Film von Christopher Nolan spielen. Als Raumfahrer ist er nun in Claire Denis' "High Life" zu sehen.

Für Stars in der Kategorie von Robert Pattinson bewegen sich wagemutige Autorenfilme in der Regel in einer fernen Galaxie. Doch der Brite, der mit der Twilight-Saga zum Teenagerschwarm wurde, schätzt schauspielerische Herausforderungen und beweist dabei auch noch einen ausgezeichneten Filmgeschmack. Nach Regisseuren wie David Cronenberg, für den er sich in Cosmopolis in die Druckkammer einer Limousine begab, oder dem Brüderdrama Good Time der Brüder Josh und Benny Safdie hat er nun mit Claire Denis gearbeitet. Die Französin hat mit High Life erstmals die Erde verlassen und ein Raumfahrerdrama gedreht, das sich dennoch klar ihrem Sonnensystem zuordnen lässt. Beim Interview im Rahmen des Filmfestivals Toronto, wo High Life im September Premiere feierte, zeigte sich Pattinson von seiner Regisseurin nachgerade berauscht.

STANDARD: Sie picken sich bei der Rollenwahl bekanntlich nur Rosinen heraus. Wie fiel die Wahl auf Claire Denis?

Pattinson: Claires Filme habe ich eigentlich erst im Alter von 25 Jahren entdeckt. Ich hatte keine Ahnung, wie legendär sie unter Filmliebhabern ist. White Material entdeckte ich mitten in der Nacht im Fernsehen, einer der besten Filme, die ich jemals gesehen habe. Am Tag danach rief ich sofort meinen Agenten an und beschwor ihn, dass ich Denis unbedingt treffen möchte. Es wurde zur Obsession – ich habe alle Filme nachgeholt, Beau travail, Nenette et Boni, S'en fout la mort - ihr Kino fühlt sich nicht wie normales Kino an ...

STANDARD: Ist die Art, wie Sie Ihre Karriere kontrollieren, auch eine Reaktion auf den Ruhm, den Sie durch "Twilight" erlangt haben?

Pattinson: Ich finde es einfach interessanter, mit diesen Regisseuren zu arbeiten. Mich verführt deren Mut zum Risiko. Man kann mehr über sich herausfinden. Der spannendste Teil der Arbeit liegt im Momentanen, es gibt einen direkteren Draht zur Inspiration. Als ich Claires Drehbuch das erste Mal las, dachte ich noch: "Was!?" Aber es war klar, dass ich ihr vertrauen würde. Dann traf ich sie in Paris das erste Mal, und sie sprach lange von Ian Curtis, dem Sänger von Joy Division. Ich fragte mich, wie das mit der Rolle zusammenhing – aber natürlich führte sie mich damit schon auf eine Fährte: die Einsamkeit.

STANDARD: Kannten Sie den Drehbuchentwurf von Zadie Smith, die anfangs ja mit dabei war?

Pattinson: Ich hätte es gerne gekannt! Ich liebe ihre Bücher. Denis und Smith haben zwei grundverschiedene Persönlichkeiten, das wäre interessant geworden.

STANDARD: Jetzt erinnert der Film mehr an philosophische Science-Fiction-Filme wie "Solaris", "2001" oder "Silent Running" ...

Pattinson: Ich finde den Film auch unglaublich komisch! Als ich ihn das erste Mal allein sah, musste ich ständig lachen. Gestern bei der Premiere herrschte hingegen vollkommene Stille – ich wäre der Einzige gewesen! Natürlich ist die Prämisse sehr düster, aber es gibt so viele, teils absurd wirkende Details, die zeigen, wie furchtlos Claire ist. Man denke nur daran, wie Juliette Binoche von diesem Mädchen mit dem großen Hintern spricht – ich finde das zum Brüllen! Claire schreibt so persönlich, dass man sie in den Figuren durchhört.

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STANDARD: Es geht, zumal für einen Science-Fiction-Film, um viel Körperliches in "High Life", auch um eine verquere Sexualpolitik, das Raumschiff hat sogar einen "Fuck Room". Hat Sie das Körperliche an Denis' Kino besonders interessiert?

Pattinson: Ich finde, es liegt etwas Schamfreies in der Art, wie sie Körper ins Licht setzt. Man kann sehen, dass Schauspieler bei ihr unbewusster mit ihren Körpern umgehen. Claire blickt anders auf deren Haut, man sieht den Schweiß, Texturen. Auch ich kenne, vermutlich, weil ich Engländer bin, dieses beklemmende Bewusstsein vom eigenen Körper. Wenn man sich als Darsteller eingeengt fühlt, dann ist es großartig, auf jemanden zu treffen, der diese Unsicherheiten durchstoßen will. In einem Interview mit ihr las ich einmal, dass sie Körper eigentlich berühren will, dann jedoch von ihrer Verlegenheit, ja Scham zurückgehalten wird. Die Kamera wird zu einem Mittel, mit dem dies möglich wird. Und das kann man wirklich spüren.

STANDARD: Sie meinen, man kann das schon beim Dreh empfinden?

Pattinson: Ja, das Schöne ist, dass man eigentlich gar nicht so viel tun muss. Denn Claire sieht, was auch immer man tut. Ich bin fasziniert von der Sinnlichkeit ihres Kinos.

STANDARD: Es gibt auch einige Szenen mit einem Baby, was Ihrer Figur eine neue, wärmere Seite hinzufügt. Gab es dafür spezielle vertrauensbildende Maßnahmen?

Pattinson: Jeden Morgen gab es lange Minuten, wo die Kleine weinte, weil wir sie einfach so von ihren Eltern wegnahmen! Nein, im Ernst, die Hälfte der Szenen bestand im Grunde nur aus der Absicht, sie zu unterhalten. Und zwar nonstop in einem durch. Man muss einfach bei der Sache bleiben – eine Unachtsamkeit genügt, und sie ist wieder am Heulen!

STANDARD: Stimmt es, dass Sie das Baby gecastet haben?

Pattinson: Ja, mit dem ersten wäre es ein anderer Film geworden: Das hat schon geschrien, als ich mich ihm nur näherte. Deshalb haben wir mitten in der Nacht einen Freund von mir angerufen: "Wir brauchen deine Tochter!"

Robbert Pattinson mit Filmbaby in "High Life"
Foto: Polyfilm

STANDARD: Der Blick, den "High Life" auf die Zukunft der Menschheit wirft, könnte kaum pessimistischer sein. Bezieht man bei der Arbeit am Set diese übergeordnete Dimension überhaupt mit ein?

Pattinson: Nein, man kann gar nicht ständig an solche grundsätzliche, dunkle Fragen denken ... Ich fand es aber spannend, dass der Film offen Tabus behandelt, sogar am Inzest kratzt. Meine Figur ist ja ein zum Tode Verurteilter – er muss schon als Kind in Gewahrsam gekommen sein. Doch wenn man dreht, muss man davon etwas abwerfen können. Die Szenen mit dem Baby beispielsweise: Da reagiert man einfach auf sein Gegenüber. Man setzt Teile zusammen, indem man einfach weitermarschiert. Dass sich dabei auch die Figur verändert, vielleicht menschlicher wird, darin liegt am Ende die Schönheit dieses Prozesses. (Dominik Kamalzadeh, 31.5.2019)