Wien – Nach der Ausstrahlung der Netflix-Serie "13 Reasons Why" ("Tote Mädchen lügen nicht"), in der sich die 17-jährige Hauptdarstellerin Hannah Baker das Leben nimmt, gibt es einen markanten Anstieg von Suiziden in den USA. Zu diesem Ergebnis kommen Studienleiter Thomas Niederkrotenthaler und Benedikt Till von der Abteilung Suizidforschung & Mental-Health-Promotion am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien in einer jetzt veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift "JAMA Psychiatry".

Anstieg der Suizide bei Zehn- bis 19-Jährigen

Innerhalb von drei Monaten ist laut der Studie in der Gruppe der Zehn- bis 19-Jährigen USA-weit ein Anstieg um 13 Prozent nachzuweisen, das seien 94 Suizide mehr in diesem Zeitraum. Statt üblicherweise 720 Suiziden in drei Monaten in dieser Altersgruppe gibt es assoziiert mit der TV-Serie mehr als 800, rechnen die Forscher vor. Der Anstieg der Suizide sei nur in der Gruppe der Zehn- bis 19-Jährigen vorhanden, in allen anderen Altersgruppen konnten die Wissenschafter keine Veränderung nachweisen.

Verglichen wurden die Suizidzahlen in den USA von 1999 bis 2017. Betroffen waren proportional mehr weibliche Jugendliche, was wegen der weiblichen Protagonistin der TV-Serie keine Überraschung ist. Die aktuelle Wiener Studie untermauert die Ergebnisse einer US-Studie, die Ende April veröffentlicht wurde.

Trailer zu "Tote Mädchen lügen nicht".
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Auf das Wie kommt es an

"Die Darstellung der Suizidproblematik im Fernsehen ist wichtig für die Entstigmatisierung. Aber es kommt auf das Wie an. Wichtig ist es zu zeigen, dass es immer eine andere Lösung, dass es immer einen anderen Ausweg aus einer schwierigen Lebenssituation gibt", sagen die Studienleiter. Das sei bei dieser Netflix-Serie nicht gegeben, soziale Alltagsprobleme von Jugendlichen würden als aussichtslos dargestellt und immer wieder mit der Möglichkeit eines Suizids verknüpft.

Thomas Niederkrotenthaler übte schom im STANDARD-"Serienreif"-Podcast im Juni 2018 massive Kritik an der Serie.

Krtik an Darstellung von Hilfsmöglichkeiten

Die Wiener Forscher, die die Studie in Kooperation mit Wissenschaftern aus Toronto, Melbourne, Michigan und Rochester erarbeitet haben, kritisieren auch, dass Hilfsmöglichkeiten entweder gar nicht oder als völlig nutzlos dargestellt würden.

"Wir haben gemeinsam mit nationalen und internationalen Organisationen bereits kurz nach der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass so der falsche Eindruck entstehen kann, dass man sich keine Hilfe bei Suizidgedanken holen soll oder dass das nichts bringt", sagt Niederkrotenthaler. "Es macht aber immer Sinn, sich bei Suizidgedanken Hilfe zu suchen."

Clay und Hannah in der ersten Staffel von "13 Reasons Why" ("Tote Mädchen lügen nicht").
Foto: netflix

Druck auf Unterhaltungsindustrie

Jetzt wollen Suizidforscher gemeinsam Druck auf die Unterhaltungsindustrie aufbauen, "um dort eine verbesserte Darstellung von Suizidalität zu erreichen. Es ist wichtig, Suizidalität auch medial zu thematisieren und das ohne Risiko für Menschen mit Suizidgedanken zu tun. Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Industrie und Präventionsexpertinnen und -experten kann das gewährleisten." (red, 29.5.2019)