Es ist alles zu laut und zu viel. Aus furchtbar vielen Fernsehkanälen fluten Bilder, die man nie sehen wollte, in den Internetforen plärren Häme, Hass und Hysterie im Terzett. Zu dieser Kakofonie sind Bachs Cellosuiten das ideale Gegenprogramm: Musik für die Ewigkeit, Balsam für die malträtierten Nerven. Reduce to the max.

Yo-Yo Ma hat die sechs zyklischen Werke im letzten Jahr bereits zum dritten Mal eingespielt, im Rahmen seiner Welttournee beglückte der US-Amerikaner am Dienstagabend das Publikum im Wiener Musikverein höchstpersönlich damit.

Höfisch elegant

Frei und gelöst beginnt Ma das pausenlose zweieinhalbstündige Konzert, mit einem leisen Lächeln auf seinen Gesichtszügen. Leises schätzt der 63-Jährige: Das Feingliedrige, Filigrane, Federleichte dominiert sein virtuoses Spiel, sein Ton wird im Pianissimo luftig und gehaucht. Höfische Eleganz prägt Mas Interpretationen der stilisierten Tanzstücke mehr als bäuerliche, geerdete Kraft. Ein Antipode zu dem zu früh verstorbenen Heinrich Schiff, dem Rainer Werner Fassbinder des Cellos.

Obwohl Ma im Prélude der vierten Suite in Es-Dur sein dynamisches und emotionales Spielfeld weitet (inklusive Schluchzern), steigt ab der fünften im Saal die Müdigkeit, und die Konzentration fällt ab. Geben Sie Bewegungsfreiheit, Sire! Und Sauerstoff! Mit einer Zugabe von Pablo Casals entlässt Yo-Yo Ma, der lächelnde Leise, seine Hörer in die laute Welt. (Stefan Ender, 30.5.2019)